Archive for the ‘Schiffsunglücke’ Category

Das Unglück der Kreuzer-Korvette „Augusta“. Teil II.

Januar 20, 2022

Am 10. August hatte bereits der amtliche „Reichsanzeiger“ die vom Kabel jetzt erst gemeldete Trauerkunde vom Untergange der deutschen Corvette „Augusta“ in folgender Weise gebracht: „Von S. M. Kreuzer-Korvette „Augusta“, Korvetten-Capitän v. Glöden, welche, mit den Ablösungs-Commandos für die australische Station an Bord, in der Nacht vom 1. zum 2. Juni d. J. die Insel Perim im Rothen Meere verlassen hat, um nach Albany, Westaustralien, zu gehen, sind seitdem Nachrichten hier nicht eingetroffen.

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Schiff mit einem Cyclon, der am 3. Juni, von Bombay kommend, Aden erreichte, in Berührung gekommen ist. Wenn hieraus auch gefolgert werden muß, daß das Schiff durch widrige Umstände verhindert worden ist, seine Reise in der gewöhnlichen Weise durchzuführen, liegt noch kein Grund vor, anzunehmen, daß das Schiff nicht noch sein Reiseziel auf einer weiteren, die Zone des Südost-Monsuns südlich umgehenden Tour erreichen wird.

Die „Augusta“ führte 10 Geschütze und hatte eine etatsmäßige Besatzung von 238 Mann; außerdem hatte sie die Ablösungsmannschaft für die australische Station von Besatzungstheilen der Kreuzerfregatte „Gneisenau“, des Kreuzers „Albatroß“ und des Kanonenboots „Hyäne“ an Bord.

Auf der Ausreise befinden sich:

Commandant: Korvetten-Kapitän v. Glöden (* 1847 in Schwedt)
erster Offizier: Capt. Lieut. Rasche (* 1850 in Wittstock)
Capt. Lieut. Hilgendorff (für Albatroß) (* 1854 in Hammersdorf)
Lieut. zur See Habermaas (für Hyäne) (* 1859 in Hohenasperg)
Unter-Lieut. zur See Müller III. (für Gneisenau) (* 1859 in Frankfurt)
Schillbach (* 1861 in Landsberg a. M.)
von Rosenberg-Gruszczynski (* 1862 in Lecbitsch)
Stabsarzt Dr. Michaelis (* 1854 in Herzberg)
Marine Unter-Zahlmeister Schwencke (*1853 in Boizenburg)
Obermaschinist Lange.

Zur Heimreise sollen auf das Schiff kommen:

Commandant: Korvetten-Kapitän v. Glöden
erster Offizier: Capt. Lieut. Rasche
Lieutenants zur See Meyer I, v. Bredow
Krüger (alle drei v. d. Hyäne)
Saß (Albatroß)
erster Offizier vom Gneisenau Unter-Lieutenants zur See Schillbach, von Rosenberg-Gruszczynski
Stabsarzt Dr. Michaelis
Marine Unter-Zahlmeister Schwencke
Obermaschinist Gottschalk, außerdem:

Korvetten-Kapitän Plüddemann, Commandant des „Albatroß“ als Passagier.

Das Deplacement des Schiffes betrug 1825 Tonnen, die indizirten Pferdekräfte der Maschine 1300. Die „Augusta“ war ein Schwesterschiff der „Viktoria“ und eines der älteren Schiffe der deutschen Kriegsmarine, zu Anfang der sechsziger Jahre auf einer französischen Werfte zu Bordeaux gebaut. Das Schiff vermochte nicht so viele Kohlen zu fassen, um größere Fahrten unter Dampf zu machen. Auf Grund Dessen hat sie die Fahrt vom Rothen Meere aus unter Segel machen müssen. Ebenso konnte die weitere lange Fahrt nur in dieser Weise vollzogen werden, und daher erklärt sich die lange Zeit, welche seit dem Verlassen der Insel Perim im Rothen Meere verflossen ist und die im „Reichsanzeiger“ betonte schwache Möglichkeit, daß das Schiff sein Reiseziel noch erreichen werde.

Kreuzer-Korvette „Augusta“

Der gewöhnliche Weg, den die Schiffe vom Rothen Meere nach Australien einschlagen, bildet nahezu eine gerade Linie; es werden dabei die asiatischen Besitzungen Englands und Hollands nicht berührt. In Deutschland tröstete man sich eine Zeit lang noch mit Folgendem: „Sind die Monsune der Fahrt hinderlich, so nehmen die Schiffe eine direkt südliche Linie, etwa bis zum 35.-40. Grade südlicher Breite und suchen dann mit Westwind Australien zu erreichen. Oft finden sie auch da ungünstige Winde und verlieren dadurch viel Zeit“.

1885. (Schreibweise original)

Von einem Matrosen der Kreuzer-Korvette „Augusta“. Teil I.

Januar 12, 2022

Otto Ludwig Adolph Gebel, geboren im September 1866 in Westpreußen, diente in der 3. Compagnie (Kompanie) der I. Matrosen-Division in Kiel als Matrose. Er war Teil der Mannschaft der Kreuzer-Korvette „Augusta“, mit Heimathafen in Kiel. Seine Familie in der Heimat hat vermutlich länger nichts von ihm gehört, respektive brieflich gelesen.

Die „Augusta“ war zu seiner Zeit bereits veraltet und diente nur als Truppentransporter, um Ersatzmannschaften auf ausländische Stützpunkte zu transportieren. Ende April 1885 verließ sie Deutschland mit über 230 Personen an Bord und brach nach Australien auf – sie passierte den Suez-Kanal und ergänzte ihre Kohlenvorräte auf der Insel Perim. Am 02.06.1885 nahm die „Augusta“ wieder volle Fahrt auf – niemand ahnte wohl auf dem Kreuzer, daß dies der letzte Kontakt – das letzte Lebenszeichen sein sollte. Wer hätte es auch gewagt, solche endgültigen, schrecklichen Gedanken zu hegen?

Kreuzer-Korvette „Augusta“

Die Kreuzer-Korvette „Augusta“ sollte ihr Ziel nie erreichen. Nach Aufnahme der Kohlen verschwand sie für alle Zeiten. Eine spätere Untersuchung mutmaßte, daß die „Augusta“ im Juni 1885 in einen Zyklon geriet, um ihre letzte Ruhe auf dem Grund des Meeres zu finden.

Und so erreichte irgendwann jene Familie die folgende Nachricht: „Nach amtlicher Erklärung des Chefs der Admiralität vom 1. Oktober 1885 ist keine Hoffnung vorhanden, daß Seiner Majestät Kreuzer Korvette Augusta noch schwimmt und die Besatzung noch am Leben ist. Der Gebel befand sich seit dem 13. April 1885 an Bord der Augusta. Datum und Ort des Sterbefalles nicht bekannt.

Die Zeitungen verkündeten: „Im Beisein des Prinzen Heinrich, sämmtlicher Admirale und des Offizierskorps fand in der Marinegarnison-Kirche ein Trauergottesdienst aus Anlaß des Untergangs der Kreuzer-Korvette „Augusta“ statt. Für die Hinterbliebenen der mit der Korvette „Augusta“ untergegangenen Besatzung sind in Deutschland bei dem Komitee bis zum 28. d. Monats (Dezember 1885) im Ganzen 157,463,46 Mark eingegangen. Über die Vertheilung der Gaben wird das Gesammt-Komite in nächster Zeit Beschluß fassen.“ November/Dezember 1885. (Schreibweise original)

So ließ also der junge Matrose mit nur 19 Jahren sein Leben und fand sein ewiges Seemannsgrab auf dem Meeresboden; in der finsteren Tiefe. Seine Familie hat den schmerzlichen Verlust vermutlich nie verwunden. In Gedenken an Otto Gebel und seine Kameraden.

Weitere Details folgen in der Fortsetzung.

Das Drama der Schiller. Teil VI. Verschiedenes.

Februar 9, 2021

Das Alles überschattende Ereigniß der letzten Tage bildet der Untergang des deutschen Dampfers „Schiller“, welcher in der Nacht des letzten Freitag auf der Reise von New York nach Hamburg an einem Felsenriff bei den Scilly Inseln scheiterte (am 07.05.1875).

Der „Schiller“ war als Brigg aufgetakelt, führte acht Rettungs-Boote und hatte sieben wasserdichte Abtheilungen, drei Decks, vier Maschinen zum Treiben des Schiffes, nebst dreizehn andern Dampfmaschinen, vier Kessel mit je sechs Essen. Die Schraube hatte neunzehn Fuß im Durchmesser. Der Dampf-Steuerapparat war in der Mitte des Schiffes und konnte von der Commandobrücke aus mit Dampf regulirt werden. Die erste Cajüte war auf dem Haupt-Deck; der große Salon war 40 Fuß lang und 40 Fuß breit und 14 Fuß hoch. Die Schlaf-Zimmer für die Cajüten-Passagiere lagen vorn und hinten an dem Salon. Die zweite Cajüte, ebenfalls auf dem Hauptdeck, war von ähnlichen Dimensionen. Das Zwischendeck, unter den beiden Kajüten, war acht Fuß hoch und hatte Seitenfenster und Abtheilungen für sechs bis zwanzig Personen, sowie große Speisezimmer.

Das Schiff war auf $700,000 geschätzt und in Hamburger und Londoner Compagnien vollständig versichert. Es fehlte dem Dampfer an keiner jener Einrichtungen, die die größt mögliche Sicherheit gegen Unfälle jeder Art bieten, und doch das entsetzliche Unglück! Der Dampfer hatte nach der offiziellen Liste der Agenten der Linie, der Herren Knauth, Rachod & Kühne, 252 Passagiere an Bord, eine Mannschaft von 117 Personen und 11 hier eingemusterte Ueberarbeiter, zusammen also 380 Personen, also wären 337 Personen umgekommen.

Herr Carl Schurz, der am 29. April nebst seiner Familie mit dem Dampfer „Pommerania“ nach Europa reiste, beabsichtigte ursprünglich mit dem „Schiller“ zu reisen. Durch die ihm gebrachten Ovationen sah er sich aber veranlaßt, den einen Tag später fahrenden Dampfer zu benützen.

(Schreibweise original)

Das Drama der Schiller
Teil I. Der Untergang.
Teil II. Weitere Details.
Teil III. Rettungsversuche.
Teil IV. Die Geretteten.
Teil V. Inquest über die Opfer.
Teil VI. Verschiedenes.


In Gedenken an die zahlreichen Opfer der Schiller

Das Drama der Schiller. Teil V. Inquest über die Opfer.

Februar 6, 2021

Das Alles überschattende Ereigniß der letzten Tage bildet der Untergang des deutschen Dampfers „Schiller“, welcher in der Nacht des letzten Freitag auf der Reise von New York nach Hamburg an einem Felsenriff bei den Scilly Inseln scheiterte (am 07.05.1875).

In St. Marys wurde heute ein Inquest über zwanzig Leichen vom Dampfer Schiller gehalten. H. Hiller, der erste Offizier, bezeugte, daß zur Zeit, wo das Schiff gegen den Felsen anlief, Capt. Thomas und ein anderer Offizier auf der Brücke waren. Zwei Mann waren vorne auf Wache und zwei andere waren auf der Brücke beim Capitän. Die Jury gab einen Wahrspruch ab, welcher auf zufälliges Ertrinken lautete, gepaart mit der Empfehlung, daß eine telegraphische Verbindung zwischen Bishops Leuchtthurm und dem Strande hergestellt werde. Wenn eine solche Communikation vorhanden gewesen wäre, heißt es im Verdikt, hätten Alle an Bord des Schiller gerettet werden können. Die Offiziere Hiller und Poleman stimmen dieser Ansicht bei.

Die Leiche der Frau Hermine West wurde nach dem Inquest privatim beerdigt. Die nicht reklamirten Leichen wurden ebenfalls beerdigt. Dem Begräbniß wohnten bei: Dorrier Smith, der Eigenthümer der Scilly Inseln, der Coroner, die Mitglieder der Jury und fast alle Bewohner der Insel. Die Leichen wurden erst nummerirt, dann fertigte man ein sorgfältiges Verzeichniß der bei ihnen vorgefundenen Werthsachen, Merkmale u. s. w. an und dann legte man jede Leiche in einen besonderen Sarg. Zwei Gräber von je 25 Fuß Länge wurden gegraben, in welche man die Särge in zwei Schichten legte. Seit dem Inquest sind bis jetzt fünfzig weitere Leichen gesunden worden, so daß die Zahl der jetzt geborgenen Leichen 91 beträgt.

Folgende Tote sind identifizirt worden.

Diese Personen können in der Wollstein-Mailingliste erfragt werden.

(Schreibweise original)
Fortsetzung folgt.

Das Drama der Schiller
Teil I. Der Untergang.
Teil II. Weitere Details.
Teil III. Rettungsversuche.
Teil IV. Die Geretteten.
Teil V. Inquest über die Opfer.
Teil VI. Verschiedenes.

Das Drama der Schiller. Teil IV. Die Geretteten.

Februar 3, 2021

Das Alles überschattende Ereigniß der letzten Tage bildet der Untergang des deutschen Dampfers „Schiller“, welcher in der Nacht des letzten Freitag auf der Reise von New York nach Hamburg an einem Felsenriff bei den Scilly Inseln scheiterte (am 07.05.1875).

Den spätesten vorliegenden Berichten zufolge wurden von den sämmtlichen an Bord des unglücklichen Schiffes befindlichen Personen blos 43 gerettet, worunter 28 von der Mannschaft, einschließlich des ersten, zweiten und vierten Offiziers, und die folgenden 15 Personen.

Die 15 Personen können in der Wollstein-Mailingliste erfragt werden.

Der letztere Namen war laut Angabe der Agenten nicht auf der Passagier-Liste. Die sämmtlichen Ueberlebenden wurden nach Penzance, an der Küste von Cornwallis, befördert, und reisten von da, mit Ausnahme einiger Erkrankten, nach Plymouth weiter. Der Dampfer Pommerania, von der Hamburg Linie, welcher am Sonntag in Plymouth ankam, reiste in der Nacht wieder ab, ohne die Geretteten mitzunehmen. Gegenwärtig sind noch viele Fahrzeuge mit der Aufsuchung der Leichen beschäftigt, von denen man schon eine große Anzahl gefunden hat. Wegen der hohen See kann man übrigens an das Wrack selbst nicht gelangen.

Viele Menschenleben gingen verloren, weil man die vom Schiller abgefeuerten Schüsse und Raketen für gewöhnliche Ankunfts-Signale hielt, was oft Ursache falscher Alarme gewesen ist. Die See ergoß sich über das Schiff, eine halbe Stunde nachdem es gegen den Felsen ausgelaufen war. Die Fluth stieg um 25 Fuß vor Tagesanbruch. Nur eine Frau wurde gerettet. Die Ueberlebenden, welche bei Tresco gelandet waren, retteten sich in den Booten des Schiller. Leichname werden beständig aufgefunden.

Unter den aufgefundenen sind die …

Diese Personen können in der Wollstein-Mailingliste erfragt werden.

Die Gesammtzahl der Verunglückten beläuft sich auf 311. Von der Ladung des Schiffes ist bis jetzt sehr wenig geborgen worden. Fischer berichten, daß der „Schiller“ fest auf dem Felsen sitzt und nicht in’s tiefe Wasser fallen wird. Im Sommer wird die Ladung zum Theil geborgen werden können. In jeder Koje des „Schiller“ war ein Schwimmgürtel, als das Unglück sich zutrug. Capt. Thomas gab Befehl, jeder Frau einen Schwimmgürtel umzumachen. aber die Wellen spülten die Frauen hinweg. Boote, die in der Nähe des Wracks kreuzen, fischen die Leichen der Ertrunkenen auf, von denen man bereits 50 geborgen hat. Dieselben sind arg verstümmelt.

(Schreibweise original)
Fortsetzung folgt.

Das Drama der Schiller
Teil I. Der Untergang.
Teil II. Weitere Details.
Teil III. Rettungsversuche.
Teil IV. Die Geretteten.
Teil V. Inquest über die Opfer.
Teil VI. Verschiedenes.

Das Drama der Schiller. Teil III. Rettungsversuche.

Januar 29, 2021

Das Alles überschattende Ereigniß der letzten Tage bildet der Untergang des deutschen Dampfers „Schiller“, welcher in der Nacht des letzten Freitag auf der Reise von New York nach Hamburg an einem Felsenriff bei den Scilly Inseln scheiterte (am 07.05.1875).

Ein Boot mit wenigen Matrosen an Bord verließ das Schiff, indem diese in feiger Weise sich weigerten, Beistand zu leisten. Zwei weitere Boote füllten sich mit Männern, welche sich weigerten, aus denselben heraus zu kommen. Der Capitän wollte, daß zuerst die Frauen und Kinder in die Boote sollten; er versuchte es, sich Gehorsam zu erzwingen, und feuerte einmal einen Revolver über die Köpfe der Männer ab, um sie aus den Booten hinaus zutreiben, und dann auf sie selbst, jedoch ohne Erfolg. Später drehte sich das Schiff mit der Breitseite nach der See und alle an Bord dieser Boote Befindlichen kamen um.

Die Takel am Stern waren zu früh gelöst worden, so daß die Boote am Bug aufgehängt blieben, diese Boote wurden endlich flott, doch war ein Rettungsboot so stark beschädigt, daß es sofort versank und elf von den an Bord befindlichen wurden durch die anderen Boote gerettet. Während zweier Stunden wurden sechs Nothschüsse abgefeuert, bis das Pulver naß wurde. Nothsignale, Raketen und blaue Lichter blieben ohne jede Antwort. Um Mitternacht zertheilte sich der Nebel für einen Augenblick und konnten die Lichter der Leuchtthürme ganz gut gesehen werden; die See ging hoch, die Wellen überschwemmten das Deck und rissen jedesmal Opfer mit sich in die Tiefe. Um zwei Uhr wurde das Deckhaus, in welches die Frauen und Kinder sich geflüchtet hatten, weggerissen; die Schreie und Hülferufe der Opfer waren herzzerreißend. Der Rauchfang fiel und zerschlug zwei Boote und zwei andere wurden weggerissen. Die Übriggebliebenen folgten dem Capitän nach der Brücke am Vorderdeck, von wo jede der auf einander folgenden Wogen neue Opfer wegriß. Einige Personen suchten Schutz auf dem Hauptmaste. Um drei Uhr stand der Capitän nebst zwei anderen Offizieren auf der Brücke.

Der Capitän stieg auf einen Augenblick herab, um Beistand zu leisten und wurde von einer Woge weggewaschen. Zu dieser Zeit hatten sich ungefähr zehn Personen an das Takelwerk des Hauptmastes und dreißig an jenes des Vordermastes angeklammert. Das Schiff hatte sich auf die Seite gelegt, die Raaen berührten das Wasser und die Fluth war noch immer im Steigen. Um fünf Uhr hatte sich der Nebel zerstreut, und riefen die Ueberlebenden um Hilfe, aber ohne Erfolg. Um 7 Uhr stürzte der eiserne Hauptmast und versank mit Allen, die auf ihm Zuflucht gesucht hatten. Eine Viertelstunde später fiel auch der Vordermast. Zwei Boote von St. Agnes kamen herbei, kurz bevor die Masten fielen, konnten sich jedoch wegen der Sandbänke dem Dampfer nicht nähern, sondern mußten sich darauf beschränken, die mit den Wogen Kämpfenden aufzunehmen. Ein Mann wurde gerettet, nachdem er zehn Stunden im Wasser gewesen. Es wurde erzählt, daß sich 103 Frauen an Bord befanden, und das Lebensrettungsgürtel an dieselben verabfolgt worden waren; sicher ist, daß viele der Passagiere keine fanden.

Eine Ordre war ertheilt worden, daß das erste Boot die Frauen und Kinder aufnehmen solle. Dieses Boot schlug um. Poleman sagt, daß 7 Boote in See gelassen wurden, und nur zwei erhalten blieben. Die Hülferufe dauerten bis 3 Uhr. Die letzte Stimme, die gehört wurde, war die eines kleinen Kindes in der Cabine. Es ist nicht wahrscheinlich, daß die Boote hätten sich retten können, selbst wenn sie in entsprechender Weise gefüllt worden wären.

(Schreibweise original)
Fortsetzung folgt.

Das Drama der Schiller
Teil I. Der Untergang.
Teil II. Weitere Details.
Teil III. Rettungsversuche.
Teil IV. Die Geretteten.
Teil V. Inquest über die Opfer.
Teil VI. Verschiedenes.

Das Drama der Schiller. Teil II. Weitere Details.

Januar 25, 2021

Das Alles überschattende Ereigniß der letzten Tage bildet der Untergang des deutschen Dampfers „Schiller“, welcher in der Nacht des letzten Freitag auf der Reise von New York nach Hamburg an einem Felsenriff bei den Scilly Inseln scheiterte (am 07.05.1875).

Die Ladung bestand aus 800 Ballen-Baumwolle, 2513 Fäßern Harz, 4000 Bushel Korn und einer bedeutenden Consignation Blättertabak. Der Werth der Ladung ist auf $150,000 geschätzt. Das Schiff führte ferner, die Ver. Staaten Post mit sich, bestehend aus 32 Beuteln mit Briefen und Zeitungen für London, 11 desgleichen für Liverpol, 8 desgleichen für Glasgow, 11 desgleichen für Dublin, 12 für Cherbourg und Paris, 17 desgleichen für Hamburg; die Gesammtzahl der Briese belief sich auf 36,000. Außerdem befand sich an Bord die ganze regelmäßige transcontinental Post von Australien und Neuseeland, in 162 Beuteln. Endlich hatten Bankiers sechs Fässer mit $300,000 Gold aufgegeben, welche für ihre Pariser Korrespondenten bestimmt waren. Der größte Theil der Ladung inclusive des Goldes ist versichert.

Die Reise ging glücklich bis zum 4. Mai, in den letzten drei Tagen war es des Sturmes wegen unmöglich, Beobachtungen anzustellen und das Schiff war eine halbe Meile außer dem Cours gerathen. Am 7. Mai bereits näherte sich der Dampfer den am Eingang des Canals, westlich von Falmouth und von dem Landsend liegenden Scilly Inseln, eine Gruppe von 145 felsigen Eilanden, einst wohl mit dem Festland verbunden, jedoch durch die Wellen des andringenden Oceans von diesem getrennt. Nur fünf dieser Inseln sind von Fischern bewohnt. Jeder, der die Reise nach den Ver. Staaten gemacht hat, wird sich dieser Inseln lebhaft erinnern; sie sind das letzte Markzeichen von Europa, welches er erblickt und sobald die Schiffe dieselben hinter sich haben, treten sie in den atlantischen Ocean ein.

Die Scilly Inseln waren von jeher gefahrvoll für die in ihre Nähe kommenden Schiffe; in den unzähligen bei der Hochfluth mit Wasser bedeckten und daher unkenntlichen Felsenriffen sind schon manche Schiffe zu Grunde, tausende von Menschenleben verloren gegangen. In neuerer Zeit sind auf verschiedenen Inseln von der britischen Regierung Leuchttürme und Signalstationen errichtet worden, um die bei Nacht und Nebel herankommenden Schiffe vor der Nähe der Inseln zu warnen. Ueber die Katastrophe selbst gaben der zweite Offizier des Schiller, Poleman, und einige der geretteten Passagiere, einem Berichterstatter folgende Auskunft:

Am Abende des 7. Mai war der Nebel ungemein dicht, und wurden um 7 Uhr Abends die Segel eingezogen, die Dampfmaschine auf halbe Kraft reduzirt und die Nebelglocken geläutet. Capitän Thomas war seit vier Tagen Tag und Nacht auf dem Verdeck gewesen und stand auch jetzt auf seinem Posten. Das Licht von dem Leuchtthurme aus Bishop’s Rock wurde nicht gesehen, trotzdem das Schiff nur eine halbe Meile von demselben entfernt war. Um 10 Uhr fuhr der Dampfer auf ein Riff auf, das unter dem Namen „Retarriere Klippe“ bekannt ist, und saß nach vier heftigen Stößen fest. Die See ging hoch, die Fluth war im Steigen und die Finsterniß eine dichte. Viele der männlichen Passagiere waren wach, und erfolgte der gewöhnliche Sturm auf die Boote.

(Schreibweise original)
Fortsetzung folgt.

Das Drama der Schiller
Teil I. Der Untergang.
Teil II. Weitere Details.
Teil III. Rettungsversuche.
Teil IV. Die Geretteten.
Teil V. Inquest über die Opfer.
Teil VI. Verschiedenes.

Das Drama der Schiller. Teil I. Der Untergang.

Januar 22, 2021

Das Alles überschattende Ereigniß der letzten Tage bildet der Untergang des deutschen Dampfers „Schiller“, welcher in der Nacht des letzten Freitag auf der Reise von New York nach Hamburg an einem Felsenriff bei den Scilly Inseln scheiterte (am 07.05.1875) und mit über 300 Personen, die sich als Passagiere und Bemannung auf demselben befanden, von den Wogen verschlungen wurde.

Das stolze Schiff hatte also, nach verhältnismäßig günstiger Fahrt, seinen ersten Bestimmungsort, Plymouth, wo Passagiere, Post und Fracht abgeladen, und im Nothfall Vorräthe ergänzt werden, beinahe erreicht, als es von einer der schrecklichsten Katastrophen ereilt wurde, von denen die Annalen der Schiffahrt auf dem atlantischen Ocean erzählen.


Dampfer Schiller

Am Donnerstag, den 29. April, fuhr der „Schiller“ von New York ab, um über Plymouth und Cherbourg nach Hamburg zu fahren. Er nahm 254 Passagiere mit, darunter 120 im Zwischendeck, nämlich 100 Erwachsene, 16 Kinder und 4 Säuglinge. Der „Schiller“ gehörte zu der Flottille der jetzt mit der Hamburger Postschiffahrtsgesellschaft consolidirten Adlerlinie, und war eines der besten und neuesten Dampfboote, welche zwischen Europa und Amerika hin- und herfuhren. Er war groß, stark und nach dem neuesten Muster auf dem Clyde von Robert Napier & Söhne gebaut, ebenso auch der „Lessing“. Beide Schiffe verließen New York, dicht mit Passagieren besetzt, und waren diejenigen Schiffe, welche die Frühjahrs-Saison eröffneten. Sie waren die zwei letzten Dampfer, welche unter der Flagge der Adlerlinie segelten, welche sich nun mit der Hamburg-Amerikanischen Linie verschmolzen hat. Der „Schiller“ hatte eine Länge von 375 Fuß, Breite 40 Fuß, Tiefe 32 Fuß, und einen Gehalt von 3600 Tonnen, war mit zwei Masten versehen und seine Maschinen hatten 3000 Pferdekraft. Er hatte ferner vollständiges Takelwerk, acht große Rettungsboote und drei eiserne Verdecke. Er war in Folge seiner vorzüglichen Dampfmaschinen im Stande, vierzehn bis fünfzehn Meilen per Stunde zurückzulegen.

Die Mannschaft bestand inclusive der Offiziere aus circa 120 Mann. Das Commando führte Capitän Thomas, ein geborener Deutscher, der früher Jahre lang in dem Dienst der Peninsular- und Oriental-Compagnie gestanden hatte und sich in der britischen Handelsmarine eines ausgezeichneten Rufes als Seemann erfreute. Die Adlerlinie hatte ihn nur nach großen Schwierigkeiten für den „Schiller“ zu engagiren vermocht. Capitän Thomas war ein Mann von mittlerem Alter und unverheirathet. Er wohnte in Hamburg, obwohl er die meiste Zeit seines Lebens in britischen Seedienste zugebracht hatte.

(Schreibweise original)
Fortsetzung folgt.

Die „komplette“ Namensliste mit den Offizieren und Passagieren kann in der Wollstein-Mailingliste erfragt werden.

Das Drama der Schiller
Teil I. Der Untergang.
Teil II. Weitere Details.
Teil III. Rettungsversuche.
Teil IV. Die Geretteten.
Teil V. Inquest über die Opfer.
Teil VI. Verschiedenes.

Das Unglück der Deutschland. Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Juni 27, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Reichskanzler-Amt. An den Abgeordneten zum Reichstag, Hrn. Mosle.

Wohlgeboren, hier. Berlin, 12. Februar 1876. Ew. Hochwohlgeboren erwiedere ich auf das gefällige Schreiben vom 9. ds. MtS. unter Rücksendung der Anlage ergebenst, daß ich nach dem Zustande meiner Gesundheit und der Lage der Geschäfte gegenwärtig nicht im Stande bin, den Kapitän Brickenstein persönlich zu empfangen. Den Verhandlungen der britischen Behörde über die Strandung des Dampfers „Deutschland,“ deren Ergebniß Hrn. Brickenstein zu dem Wunsche veranlaßt hat, wegen Einleitung einer anderweiten Untersuchung des Unfalles mündlich bei mir vorstellig zu werden, bin ich mit Aufmerksamkeit gefolgt.

Ich bedaure, daß das Urtheil des Board of Trade für ihn nachtheilig ausgefallen ist, und ich verkenne nicht, das er ein wesentliches Interesse daran hat, das Versehen, welches das Urtheil ihm zur Last legt, von sich abzulehnen; indeß habe ich nach dermaliger Lage der Gesetzgebung keine Mittel, eine nochmalige Untersuchung des Vorganges durch eine deutsche Behörde amtlich herbeizuführen. Nach der deutschen Gesetzgebung kann eine amtliche Feststellung der Ursachen eines Seeunfalles nur im Wege der Verklagung, des Civil Prozesses oder des Strafprozesses, mithin nur in einem gerichtlichen Verfahren erfolgen, dessen Einleitung meiner Einwirkung völlig entzogen ist.

Ew. Hochwohlgeboren stelle ich ergebenst anheim, Hrn. Brickenstein hiervon gefälligst Kenntniß zu geben. Der Reichskanzler v. Bismarck.

Februar 1876. (Schreibweise original).
Ende.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Also sprach der Reichskanzler von Bismarck, möge die Geschichte der Deutschland nach nunmehr 145 Jahren hier im Internet einen würdigen Abschluß finden.

Das Unglück der Deutschland. Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.

Juni 22, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Berlin. Hotel du Nord, 10. Febr. 1876.

Herrn Capt, E. Brickenstein, Bremen. Der Inhalt Ihres werthen gestrigen Schreibens hat meine volle Aufmerksamkeit gefunden und ich habe geglaubt, Ihren Wünschen am Besten entsprechen zu können, indem ich Ihren Brief im Original dem Fürsten Bismarck übersandte unter Anheimstellung der Erfüllung Ihrer Wünsche. Sie müssen nun abwarten, was darnach kommt; ich gebe Ihnen Nachricht, sobald ich Antwort habe.

Prima vista glaube ich nicht, daß es möglich sein wird, noch nachträglich ein deutsches Seegericht zu berufen. Ich wünsche Ihnen aber sehr, daß der Fürst Reichskanzler Sie persönlich empfangen möge, und habe das Letztere auch, soweit es an mir ist, gefördert. Ich erwarte nämlich von solcher persönlichen Unterhaltung des Fürsten mit Ihnen das Beste für Sie, über Ihr persönliche Interesse hinaus aber auch eine neue Anregung und Hinlenkung der Aufmerksamkeit Fürst Bismarck´s auf unsere Schifffahrts-Angelegenheiten überhaupt; denn leider scheint es mir, als wenn diese im Reichskanzleramte nicht die gebührende Beachtung finden, vielmehr stiefmütterlich behandelt werden.

Man glaubt, genug zu thun, wenn man den Engländern Einiges an Gesetzen nachmacht, denn Das ist recht bequem, und die Bewunderung englischer Einrichtungen ist am Ende auch der Grund, weshalb man, statt bei uns mit der Einrichtung von Seegerichten vorzugehen, den Engländern über ihre Seegrenze hinaus in einer der Geschichte der Völker unerhörten Weise das Recht eingeräumt hat, deutsche Schiffsmannschaften vor ihr Gerichtsforum zu ziehen.

In zwei Punkten sind Sie übrigens irrig: 1. ist es unrichtig, wenn Sie sagen, daß Sie sich dem englischen Seegerichte stellen mußten, denn das ist Ihr freier Wille gewesen. Sie haben sich pflichtmäßig den Wünschen unserer Regierung gefügt, waren aber nicht dazu gezwungen! Niemals würde m. E. ein Brite sich dentschen Gerichten zur ßeurtheilung in einer Sache nach Sprache und Gesetzen, die er nicht versteht, gestellt haben, niemals würde auch ein britischer Gesandter Das zugegeben haben; 2. sind Sie nicht verurtheilt, sondern beurtheilt. Das gerichtliche Straferkenntniß ist nicht ausgesprochen, das Gericht hatte nicht dazu das Recht; es ist eigentlich nur über Sie und Ihre Ausführung vor und nach dem Strandungsfalle berichtet.

Freilich ist der Bericht des Board of Trade so absprechend, daß die Folgen für Sie dieselben sein müssen, wie die einer Aburtheilung. Ich beklage Das tief, glaube auch wohl, daß der Bericht in diese Hinsicht arbiträr urtheilt, und bin auch gern bereit, zu thun, was ich kann, um eine diesseitige Revision und Ihre weitere Untersuchung des Strandungsfalles zu veranlassen. Einstweilen müssen wir abwarten, was der Reichskanzler auf meine Mittheilung beschließt; daß er „persönlich“ die Wichtigkeit der Interessen, welche hier in Frage stehen vollkommen erkennt und den besten Willen hat, Ihnen und jeden, Deutschen gerecht zu werden, und unsere nationalen Interessen zu schützen und zu pflegen, Das hat er uns mehr als einmal bewiesen!

Hoffend, Ihnen bald weitere Nachricht geben zu können, begrüße ich Sie. Ihr aufrichtig ergebener A. G. Mosle.

Februar 1876. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Das Unglück der Deutschland. Teil VI. Schriftverkehr. Gekränkte Ehre.

Juni 18, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Capitän Brickenstein glaubt, daß das englische Urtheil zu hart ausgefallen ist, und will durch diese Veröffentlichung beweisen, daß er sich vor einer deutschen Untersuchung auch auf Grund der englischen Akte nicht scheut, dieselbe vielmehr vergeblich zu veranlassen gesucht hat.

8. Febr. 1876. Herrn Reichstags-Abgeordneten A. G. Mosle, Berlin.

Sehr geehrter Herr! Da ich weiß, daß Sie ein großes Interesse an dem Unglücksfall des Dampfers “Deutschland“ bekundet haben, so wage ich, Sie mit diesen Zeilen zu belästigen. Wie Sie bereits wissen, ist das Urtheil des „Board of Trade“ gegen mich ausgefallen und zwar so hart, daß ich das Bewußtsein habe, ein solches Urtheil nicht verdient zu haben. Da ich mich dem Gerichte in England stellen mußte, ohne eine Wahl meinerseits zu haben, so glaube ich, daß die Reichsregierung mir eine neue Untersuchung bewilligen muß; wenn ich mich in meiner seemännischen Ehre gekränkt fühle durch ein ungerechtes, einseitiges Urtheil.

Damals in London hatte ich wohl den härtesten Kampf körperlich und geistig zu bestehen gehabt, und verbraucht und angegriffen, wie ich von dem Unglück war, die anstrengenden, ja, quälenden Verhandlungen durchzumachen. Jetzt sehne ich mich darnach, die Unhaltbarkeit des Urtheils und die theilweise gänzliche Nichtbeachtung der Aussagen laut stenographischer Auszeichnungen nachzuweisen. Ich habe mit Herrn Dr. J. Heineken Rücksprache genommen, und ob er zwar an einer Bewilligung einer neuen Untersuchung Seitens des Reichs zweifelt, hält er es doch für den einzig möglichen Weg, mich direkt an den Reichskanzler zu wenden, gab mir aber den Rath, zuvörderst bei Ihnen um Informationen anzufragen.

Ich wollte Sie ergebenst ersuchen, mir zu sagen, ob ein persönliches Erscheinen meinerseits in Berlin zur Erreichung einer Audienz beim Reichskanzler oder ein Immediatgesuch an denselben der geeignete Weg sei, ein für die Erlangung einer neuen Untersuchung günstiges Resultat zu erzielen. Ich bin sonst hülflos dem Odium dieses Urtheils preisgegeben und fühle doch, daß es für einen deutschen Kapitän einen Weg geben muß, bei seiner Regierung zur Wahrung seiner Ehre Schutz zu finden. Ich bitte Sie geehrter Herr, mir, wenn Sie können, in dieser Angelegenheit zu helfen, womöglich zu einer Audienz bei’m Reichskanzler oder zu einer neuen Untersuchung durch die Reichsbehörde.

Eduard Brickenstein

Februar 1876. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Das Unglück der Deutschland. Teil V. Der Bericht des Kapitäns.

Juni 12, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Capitän Brickenstein, welcher den verunglückten Dampfer „Deutschland“ führte und heute in Harwich sich aufhält, folgenden umständlichen Bericht über das Stranden des Dampfschiffes erstattete: „Wir verließen Bremerhaven am Sonntag Morgen und hatten früh am folgenden Morgen (Montag) mit einem heftigen Schneesturm von Nordost zu kämpfen. Das Wetter war so nebelig, daß wir das Senkblei unaufhörlich auswerfen und die Schnelligkeit des Schiffes vermindern mußten. Es lief um 5.30 Morgens die Sandbank an und begann bald darauf sehr stark zu stoßen. Mehrere Fahrzeuge fuhren ganz nahe an uns vorbei, beachteten aber unsere Nothsignale ganz und gar nicht. Ich befahl nun, die Rettungsboote bereit zu halten, erachtete es aber nicht für rathsam, die Boote bei dem Ungestüm der Wogen in’s Wasser zu lassen.

Ein Boot wurde jedoch trotz meines ausdrücklichen Verbotes in’s Wasser gelassen, allein es schlug um, als es kaum das Wasser berührt hatte und sechs in dem Boote befindliche Personen ertranken. Eine ungeheure Schlagwelle fegte einige Minuten später über das Verdeck u. schwemmte viele von den Passagieren, welche vorher mit Lebensrettungs-Apparaten versehen worden wären, über Bord. Ich gebot nun den Passagieren in das Takelwerk zu klettern, doch retteten sich einige auf das Dach des Steuerrades und wurden dann von dem inzwischen angekommenen Schleppdampfer um 10 Uhr Morgens befreit.

Zwölf Leichen, darunter die von vier Nonnen, wurden in Harwich gelandet und ist man der Ansicht, daß nur noch wenige oder vielleicht keine Leichen an Bord sich vorfinden. Die Nonnen, von denen die Depesche spricht, waren Franziskanerinnen aus Salzkotten in Westfalen, die wegen der Religionsverfolgung in Preußen nach Amerika gingen, aber in dem Schiffbruch ums Leben kamen.

Inzwischen gab die Jury ein auf Tod in Folge von Bloßstellung lautendes Verdikt ab, und überläßt es somit der Jury in Harwich, die Verantwortlichkeit für die Katastrophe festzustellen. Der Inquest über die Leichen nahm gestern seinen Anfang, doch ergab das Verhör des Kapitäns u. der Mannschaft nichts Neues.

Dezember 1875. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Das Unglück der Deutschland. Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.

Juni 9, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Nach den letzten Berichten schätzt man, daß wenigstens 88 Personen, von denen 46 Passagiere waren, umgekommen sind. In Sheerneß fand ein Inquest über die in dem Quartiermeisterboote gefundenen Leichen statt. Die Verhandlungen waren nur formell. Die Jury weigerte sich, eine Vertagung zu beschließen, bis das Resultat der amtlichen Untersuchung in Harwich vorliegt. Capt. Brickenstein wurde zuerst vernommen. Er sagte, daß die Bemannung des Dampfers 99 Personen zählte. Nachdem derselbe Bremerhaven verlassen, steigerte sich der Sturm zum Orkane. Die Schnelligkeit des Dampfers wurde reduzirt. Am Sonntag Morgen gegen 4 Uhr zeigte das Senkblei 17 Faden Tiefe; dieses war 7 Minuten vorher, ehe der Dampfer auflief. Sofort wurde die Brandung durch das Schneegestöber sichtbar. Ließ die Maschine rückwärts arbeiten, die Schraube brach, ehe der Dampfer sich rückwärts bewegte.

Das Boot trieb auf den Sand 28 Stunden vor der Rettung der noch lebenden Passagiere. Am Dienstag Morgen gegen 3 Uhr füllte sich der Dampfer mit Wasser, und die Passagiere mußten in die Takelage klettern. Wenn in der Montags-Nacht ein Rettungsboot ausgeschickt worden wäre, hätten viel mehr Personen gerettet werden können. Es ergab sich, daß in Harwich kein Rettungsboot stationirt ist. Capt. Brickenstein sagte während des Verhörs, er habe keine Befürchtung empfunden, weil er das Leuchtfeuer von Galloper nicht gesehen, denn er habe nicht erwartet, dasselbe vor ½ 7 Uhr Morgens zu Gesicht zu bekommen. Wenn man die Brandung früher wahrgenommen, hätte das Schiff vielleicht gerettet werden können. Die anderen Offiziere bestätigten die Aussagen.

Bei der Untersuchung in Harwich sagte gestern Capt. Brickenstein aus, daß er vorüberfahrenden Fahrzeugen Signale gegeben habe, daß jedoch keins dieselben beachtete. Die Geschworenen und Andere gaben zu, daß man die Nothsignale in Harwich sah. Ein Geschworener sagte, daß die Seeleute sich nicht verpflichtet fühlten, ohne Rettungsboot ihr Leben zu wagen.

…wird berichtet (10.12.), daß der Dampfer Deutschland entzwei gebrochen ist.

…wird berichtet, als am Dienstag Morgen die Passagiere in die Wanten beordert wurden, begingen ein Mann und eine Frau Selbstmord aus Verzweiflung. Adolph Hermann half dem Fräulein Anna Petzold von New-Jork in die Takelage und Beide wurden gerettet. Sie sind jetzt verlobt. Viele der Geretteten litten durch Frostbeulen. Mehr als die Hälfte der Passagiere waren Deutsch-Amerikaner.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Das Unglück der Deutschland. Teil III. Noch mehr Gerettete.

Juni 3, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Weitere Menschen konnten gerettet werden:

Erste Kajüte: Karl Dieterich
Zweite Kajüte: Procopi Kadolkoff
Zwischendeck: Florian Bäuerle, G. Drettert oder Freldrit, Anna Hübner, Wilhelm Sorge, Maria Steuernagel, E. Schuster, Anton Teiche, Georgine Frank und Johann Gaß.

Liste der geretteten Mannschaft

Brickenstein, Capitän, A. Löwenstein, erster Offizier; H. Bremer, zweiter Offizier; Behrend, dritter Offizier. Dr. Blom, Schiffsarzt. R. Schmidt, erster Maschinist; Marcke, zweiter Maschinist; Midrael, dritter Maschinist. P. Kluze, H. Luggers, W. Gebracht, Hülfs-Maschinisten. Bödeker, Harvey, Lootsen. Henry Blegg, Steward; Albert Fouske, Eduard Edmann, Gustav Buschmann, Franz Thiele, Friedrich Janssen, Hülfs-Stewards. Dietrich Steger, erster Zimmermann; Jan Neuschen, zweiter Zimmermann. Johann Bering, Segelmacher.

E. Halsen, Bäcker. Henry Wiemann, erster Bootsmann; Johann Selking, zweiter Bootsmann. Franz Bellmer, Diedrich Feldhurs, Johann Fischer, G. Steinmeyer, Köche. Martin Knöfler, Wärter. Joh. Menkens, Schiffsjunge. Fritz Wendt, Heinrich Thermahlen, Dietrich Schinkuhl, Franz Albersmuir, Ferdinand Kehrberg, Friedrich Claus, Christoph Schäfer, Franz Nowinski, Longing, Wilhelm Beier, Meutz, König, Heizer. Georg Weiß, Christian Haase, Heinrich Maas, Steuerer. Georg Geisich, Friedr. Neumann, Zeidler, Matrosen.

Es ist wahrscheinlich, daß noch andere Personen gerettet sind; doch kann man jetzt die Namen nicht genau ausfinden. Das Kind der Anna Gmolk starb auf dem Schleppdampfer, welcher die Passagiere rettete. Im Ganzen werden etwa 40 Passagiere und 50 Matrosen vermißt. Otto v. Tramnitz, der vierte Offizier des Dampfers „Deutschland,“ welcher umkam, war bei der östreichischen Polar-Expedition.

Dezember 1875. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Das Unglück der Deutschland. Teil II. Details.

Mai 27, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Die folgenden geretteten Passagiere des Dampfers „Deutschland“ sind in Harwich gelandet:

1. Cajüte: Wm. Leick und Carl Dietrich Mever, 2. Cajüte: Theodor Tillmann, Helene Schem, J. Sauer, Hermann Seathan, Franz Hann, Alfred Wellig, Adolph Hermann, Anna Pitschold.

Folgende Personen werden vermißt:

1. Cajüte: J. Großmann, 2. Cajüte: Ludwig Hermann, Maria Förster, Emil Hack, Bertha Fundling, Theodor Fundling, Barbara Hilkenschmidt, Heinrich Faßbinder, Zorbelda Rienkober, Aurora ßadjura, Brigitta Lambert und O. Lindgren.

Die Namen der Zwischendeck-Passagiere konnten noch nicht in Erfahrung gebracht werden. Regierungs-Dampfer und Schleppboote sind von Southampton nach dem Wrack abgegangen. Eine Depesche, welche heute Morgen 2 Uhr von Harwich eintraf, meldet, daß zwei Boote den Dampfer verließen, eines derselben enthielt vier und das andere drei Personen. Aus den Berichten der Passagiere geht hervor, daß die Boote fortgerissen wurden. Passagiere und Mannschaften kletterten in die Takelage, aus welcher Viele fortgerissen wurden. Die Berichte scheinen übereinzustimmen, daß die Zahl der Umgekommenen fünfzig nicht übersteigt. Die Ueberlebenden litten schrecklich durch Wind und Wetter.

…wird berichtet, daß August Haum und Eduard Slaam aus der zweiten Cajüte unter den Geretteten sind. Die Passagiere wurden heute Mittag gerettet und um 3 Uhr gelandet. Vom Dampfer „Deutschland“ stiegen während des ganzen Montag-Abend bis zum Dienstag Morgen Raketen auf; obgleich man dieselben in Harwich sah, so war es doch unmöglich, Hülfe hinaus zu schicken, bis der Orkan nachließ. Heute Morgen 4 Uhr brachte der Schleppdampfer „Liverpool“ 51 Personen an’s Land, darunter alle Offiziere mit Ausnahme des 4. Offiziers. Ein Kind starb an Bord des Schleppdampfers. Die Zahl der Leichen in der Cajüte des Dampfers betrug 50. Andere sind wahrscheinlich in den vermißten Booten umgekommen. August Beck, der Proviantmeister, liegt im Sterben; seine Glieder sind geschwollen und schwarz angelaufen. Er konnte nur unter großen Schwierigkeiten Bericht erstatten.

Er sagte, sein Boot sei durch ein Tau an das Schiff gebunden gewesen; dieses Tau sei gerissen und da er keine Ruder gehabt, so hätte er nicht zurückkehren können. Das Boot sei seewärts abgefallen, und er habe mit seinen Kameraden das Segel aufgehißt; sie seien den ganzen Tag und die folgende Nacht vor dem Winde getrieben. Ein Zwischendecks-Passagier, Namens Fürstenberg, sei bei ihm im Boote gewesen. Derselbe war nur dünn gekleidet und hatte weder Schuhe noch Strümpfe an. Er starb bald. Sein anderer Gefährte, ein Matrose sei kurz nach Fürstenberg gestorben. Ein Rettungsboot sei nicht vorhanden gewesen und ein anderes habe sich nicht hinaus wagen dürfen.

Die Scene auf dem Wrack bei der Ankunft des Schleppdampfers spottet aller Beschreibung. Männer, Frauen und Kinder hingen in der Takelage, aus welcher schon eine Anzahl von den Sturzwellen fortgerissen worden waren. Viele waren nahezu entkräftet. In der Cajüte sah man die Leichen von Frauen und Kindern in Nachtkleidern. Der Schleppdampfer brachte 140 Personen, dünn gekleidet. Der deutsche Consul, Oliver W. Williams, nahm sich der Schiffbrüchigen sofort an und versah sie mit Nahrung, Kleidung und Obdach.

…wird berichtet, daß die Passagiere sämmtlich zur Ruhe gegangen waren, als der Dampfer auflief. Die Scence, welche nun folgte, war eine schreckliche. Als der Schleppdampfer „Liverpool“ an dem Wrack ankam, war der Rumpf gänzlich unter Wasser. Zwei Boote, welche im Laufe der Nacht in’s Wasser gelassen wurden, kenterten und 5 Personen ertranken.

Dezember 1875. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Das Unglück der Deutschland. Teil I. Erste Nachrichten.

Mai 21, 2020

Der Dampfsegler “Deutschland“ erlitt am 06.12.1875 vor der englischen Küste Schiffbruch. In mehreren Berichten werden die Details und Hintergründe thematisiert.

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Die folgenden Nachrichten darüber bringt das Kabel:

…wird berichtet, daß in jener Gegend ein Boot, von dem Bremer Dampfer „Deutschland“, welcher am 4. Dezbr. von Bremerhaven nach New-Jork abfuhr, gelandet ist, in welchem sich ein Matrose und die Leichen zweier Anderen befanden. Der Mann berichtet, daß der Dampfer irgendwo in der Nordsee aufgelaufen sei. Die beiden Männer in dem Boote starben infolge langer Strapazen, Bloßstellungen und Entbehrungen. Sie waren nahezu 38 Stunden in dem offenen Boote auf dem Wasser.

…wird berichtet, daß der Mann, welcher in dem offenen Boote eintraf, der Proviantmeister des Dampfers „Deutschland“ war und August heißt. Einer von den beiden Männern, welche unterwegs umkamen, heißt Fürstenstem; der Name des Anderen ist unbekannt. August berichtet, daß der Dampfer auf einer Sandbank in der Nordsee auflief. Ehe August mit seinen Gefährten abfuhr, wurde bereits ein anderes Boot abgesandt, dessen Schicksal bis jetzt unbekannt ist. Das Schicksal des Dampfers „Deutschland“ ist gleichfalls unbekannt. August glaubt, daß der Dampfer mit allen an Bord befindlichen 150 Personen verloren ist.

Die Firma kennt weder den Name des Capitäns, noch der Offiziere oder der Bemannung des Dampfers, da das ganze Personal neu ist. Der Dampfer lag seit letztem Februar in Bremerhaven auf dem Dock. Die Agenten glauben, daß wahrscheinlich nur sehr wenige Passagiere an Bord waren. Die Einwanderung ist zu dieser Jahreszeit sehr unbedeutend. Die Agenten haben um nähere Auskunft nach Bremen telegraphirt.

Der Dampfer „Deutschland“ war eines der besten Fahrzeuge der Flotte des Norddeutschen Lloyd. Das Fahrzeug wurde vor ungefähr 10 Jahren in Greenock, Schottland, gebaut und bestand das schlimmste Wetter, das jemals ein Schiff an dem atlantischen Meere behelligte. Im Januar begegnete der „Deutschland“ auf dem Wege nach New-Jork einem furchtbaren Sturme, kehrte aber trotzdem sicher nach Bremen zurück, obgleich die Maschinerie erheblich außer Ordnung gerathen war. Der Dampfer hat seitdem nur eine Reise von Southampton gemacht und wurde mit einem halben Dutzend anderer Fahrzeuge der Linie gedockt.

Der Dampfer „Deutschland“, von Bremen mit Auswanderern nach New-Jork bestimmt, lief Montag Morgen um 5 Uhr bei Kentish-Knock während eines heftigen Nord-Ost-Sturmes auf den Strand. Die Luft war durch Schnee getrübt. Der Dampfer „Deutschland“ wurde derart gegen Kentish Knock geschleudert, daß er nunmehr in 4 ½ Faden Wasser nach niedrigem Wasserstande liegt. Der „Deutschland“ war ersichtlich in der Mitte auseinander gegangen, als Capt. Brickenstein denselben verließ. Das Schiff war mit Wasser angefüllt, welches mit der Ebbe stieg und fiel. Hülfe ist abgeschickt worden. Der Capitän und ein Theil der Mannschaft und Passagiere des „Deutschland“ wurden soeben in Harwich gelandet. Wie man annimmt, sind 50 der Passagiere und Mannschaft ertrunken. Zwei Schleppdampfer und ein Rettungs-Boot sind nach der Unglücksstelle abgegangen.

…wird berichtet, daß der Dampfer „Deutschland“ im Ganzen 123 Passagiere hatte, nämlich 2 in der ersten Cajüte, 24 in der zweiten Cajüte und 97 im Zwischendeck. Der Commandeur des britischen Kriegsschiffes „Penelope“ berichtet von Harwich an die Admiralität, daß 50 Personen ertrunken sind. Die Geretteten sind in Harwich gelandet, und befinden sich unter Obhut des deutschen Consuls.

Alle Versuche wurden gemacht, den Dampfer wieder flott zu bekommen; doch vergeblich. Die See brach über das Schiff und riß das Gangspill fort. Der Capitän hielt sich sehr wacker. Sofort nachdem das Schiff aufgelaufen war, ließ er Schwimmgürtel unter die Passagiere vertheilen. Am folgenden Morgen glaubte man, das Schiff werde in Stücke brechen und der Capitän ließ die Boote flott machen. August und zwei Matrosen wurden beordert, eines der Boote zu bemannen, dasselbe kenterte zwei Mal, und als es sich wieder aufrichtete und die Drei hinein gelangten, trieb es davon. Sie versuchten, zurückzukehren, es gelang ihnen aber nicht. Ein starker Schneesturm wehte und es war schneidend kalt. Seine beiden Kameraden starben in Folge der Strapazen und des Unwetters. August sagte, die Bemannung zähle 130 Personen.

Dezember 1875. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Helden des Meeres

Februar 24, 2020

Der Dampfer „Bulgaria“ wurde 1898 in Dienst gestellt, nur ein Jahr später sollte das Schiff für eine große Aufregung verantwortlich zeichnen. Auf der Rückfahrt von New York aus, geriet sie in einen schweren Sturm und wurde im Verlauf dessen manövrierunfähig. Drei Schiffe in der Nähe reagierten auf die abgeschossenen Notraketen, unter anderem der Tanker „Weehawken“, der einige Passagiere übernahm (25 Frauen und Kinder) und im Anschluß in Ponta Delgada dem sicheren Land zuführte. Die Überlebenden berichteten, daß sich „der Kargo der „Bulgaria“ verschob und das Schiff auf die Seite legte. Trotzdem ein Theil des Kargos über Bord geworfen wurde, gelang es der Mannschaft nicht, das Fahrzeug wieder auszurichten. Während des Sturmes kamen 150 Pferde um’s Leben, und ein Boot mit fünf Seeleuten wurde in’s Meer verschlagen.

Der „Weehawken“ traf die „Bulgaria“ am 5. Februar, 800 Meilen westlich von den Azoren, und blieb bei ihr bis zum Mittag des 6. Februar. Der havarirte Dampfer trieb schließlich außer Gesichtsweite und der „Weehawk“ setzte dann seine Fahrt fort.“ Später wurde unter Eid ausgesagt: „…brach am 2. Februar während eines heftigen Nordweststurmes das Steuer der „Bulgaria“ und acht Boote wurden von Sturzwellen fortgerissen. Das Schiff wurde leck und am 3. Februar stand das Wasser acht Fuß hoch im vierten Compartement. Das Schiff legte sich auf die Seite und konnte nicht mehr aufgerichtet werden, trotzdem ein großer Theil des Cargos auf die andere Seite übertragen wurde. Am 5. Februar erschien der „Weehawken“ in Sicht und die „Bulgaria“ signalisirte um Hülfe. Das erste Boot, welches herabgelassen wurde, nahm zehn Personen an Bord und wurde von den Wogen fortgerissen, ehe weitere Personen einsteigen konnten. Das zweite Boot, welches von dem zweiten Offizier Scherges und vier Seeleuten bemannt war, wurde ebenfalls fortgerissen, ehe es Passagiere aufnehmen konnte.

Der „Weehawken“ setzte zwei Boote aus. Eines derselben kenterte und das andere rettete acht Personen. Der „Weehawken“ blieb in der Nähe bis zum Mittag des 6. Februar, zu welcher Zeit der havarirte Dampfer aus dem Gesichtskreis verschwunden war. Zwei andere Dampfer befanden sich in der Nähe der „Bulgaria“ allein die Geretteten wissen nicht, ob dieselben irgend welche Hülfe leisteten.

Berechtigte Verwunderung hat in der ganzen civilisirten Welt der Heldenmuth erregt, mit welchem die Bemannung des Dampfers „Bulgaria“ von der „Hamburg-Amerika-Linie“ wochenlang mit den entfesselten Elementen kämpfte, um das auf das Aeußerste gefährdete Schiff vor dem Untergang zu retten. Unter der Führung des Capt. Schmitt trat die „Bulgaria“ mit 41 Passagieren, voller Ladung und einer aus 98 Köpfen bestehenden Bemannung von New York die Reise nach Hamburg an. Während eines furchtbaren Orkans schoß ein Theil der Ladung über, das Schiff legte sich auf die Seite und trotz allen Anstrengungen war die Mannschaft außer Stande, dasselbe wieder in die richtige Lage zu bringen.

Während Capitän Schmitt und seine Leute in dieser gefahrvollen Situation einen Verzweiflungskampf mit den Elementen führten, nahten die Dampfer „Antillian“, „Koordistan“ und „Weehawken“, aber das Unwetter war so furchtbar, daß keiner derselben der bedrängten „Bulgaria“ Hilfe zu bringen vermochte. Allgemein galt das Schiff für verloren und diese Besorgnis erhielt neue Nahrung, als der Dampfer „Victoria“ mit 4 Mann von der Besatzung der „Bulgaria“, die während des Sturmes von ihrem Schiff weggetrieben waren, in Baltimore eintraf. Aber unter der Führung des wackeren Capt. Schmitt hatte die Bemannung der „Bulgaria“ den Kampf mit den Elementen nicht aufgegeben und unter unsäglichen Schwierigkeiten gelang es, das Schiff in den Hafen von Ponta Delgada auf den Azoren zu bringen.

Während der furchtbaren Fahrt erlitten viele Passagiere und Matrosen Verletzungen, aber nur ein Menschenleben ging verloren. Die Rettung der „Bulgaria“ unter so schwierigen Umständen ist eine That, welche in der Seegeschichte kaum ihres Gleichen haben dürfte, und welche den deutschen Seeleuten zu unvergänglicher Ehre gereicht“.

(Schreibweise original, aus dem Jahr 1899).

Im Jahr 1917 wurde die „Bulgaria“ von den USA beschlagnahmt und sieben Jahre später abgewrackt.

Versenkt

Januar 24, 2020

Die Nachricht von einem schrecklichen Schiffsunglück im britischen Canal ist soeben in London eingetroffen. Das Auswandererschiff „Northfleet“, welches vor einigen Tagen von hier nach Australien mit 412 Passagieren an Bord, außer der Bemannung, abgesegelt war, hatte um Mitternacht eine Collision mit einem unbekannten fremden Dampfer, etwa zwei Seemeilen von Dungeneß, und wurde bis auf die Wasserlinie zerstört. Man weiß nur von 8 Personen, die gerettet wurden, und glaubt, daß alle Uebrigen, die an Bord waren, ihr Grab in den Wellen gesunden haben. Der Dampfer nahm nach dem Vorfalle gar keine Notiz von dem Auswandererschiff und setzte, die Schiffbrüchigen ihrem Schicksal überlassend, seine Reise fort.

Eine schreckliche Panik brach an Bord der „Northfleet“ nach dem Zusammenstoße dieses unglücklichen Schiffes mit einem unbekannten Dampfer aus. Die Passagiere, aus dem Schlaf gestört, stürzten von ihren Kojen nach allen Theilen des Schiffes, wo sie sich sicher glaubten, und verweigerten dem Capitan rundweg allen Gehorsam. Der Capiiän sah sich, als letzte Hülfsmittel zur Erzwingung des Gehorsams gegen seine Befehle, gezwungen, auf die vom Entsetzen gelähmte Menge zu feuern und einer aus derselben ward verwundet. Man glaubt, hätten die Passagiere den Befehlen des Capitäns gehorcht, mehr der Passagiere hätten gerettet werden können.

Weitere Einzelheiten ueber den schrecklichen Zusammenstoß auf der Höhe des Feuers von Dungeneß sind zu Händen gekommen. Der „Northfleet“ lag zur Zeit des Unfalls vor Anker. Seine Ladung bestand aus Eisenbahnschienen. Dreihundert und zwanzig Menschenleben sind zu beklagen, darunter der Capitän des unglücklichen Schiffes. Den Namen des Dampfers, welcher das Unglück anrichtete, hat man noch nicht erfahren können, doch vermuthet man, daß es ein spanischer Dampfer, von Antwerpen kommend, gewesen sei.

Die hiesige Handelskammer hat eine Belohnung von 100 Pfund auf die Entdeckung desselben ausgesetzt. Der Dampfer, welcher das Emigrantenschiff „Northfleet“ in den Grund bohrte, wird für ein portugiesisches Fahrzeug gehalten. Der Name wird nicht eher bekannt werden, bis der Dampfer im Hafen angekommen ist. Zwölf weitere Personen von dem Auswandererschiff sind gerettet worden. Dies macht 97 Menschen, die als gerettet bekannt sind. Die Lloyds haben an ihre Agenten in allen südlichen Stationen telegraphirt, womöglich den Dampfer anzuhalten, der die „Northfleet“ in den Grund gebohrt hat.

Die Regierung hat eine vorläufige Untersuchung ueber die Zerstörung der „Northfleet“ angeordnet. Das Untersuchungs-Comite wird morgen seine Sitzungen in Dover beginnen.

Januar 1873. (Schreibweise original).

Ergänzung. Mehrere Personen, die sich als Passagiere an Bord des Dampfers „Murillo“ befanden, haben vor dem hiesigen britischen Consul beschworene Aussagen über die zwischen diesem Fahrzeuge und dem Emigrantenschiff „Northfleet“ im englischen Canale stattgehabte Collision gemacht. Nach ihrer Darstellung erfolgte die Collision zur Nachtzeit mit einem sehr heftigen Stoße, der von Allen, die sich an Bord des „Murillo“ befanden, gefühlt wurde. Wenige Augenblicke darauf hörten die Passagiere die Rufe: „Hülfe! Hülfe! und erfuhren dann, man sei mit irgend einem Fahrzeuge zusammengestoßen, das auf dem Punkte stehe, unterzugehen. Der Dunkelheit und der zur Zeit herrschenden Nebels wegen konnte man von dem unglücklichen Schiffe, von dem die Hülferufe ausgingen, nur wenig unterscheiden.

Mehrere Passagiere des „Murillo“ baten sowohl den Capitän wie Leute von der Bemannung, die Boote auszusetzen und die Personen auf dem andern Schiffe zu retten, allein ihr Gesuch blieb unerhört und wurde abgewiesen. Weder der Capitän noch seine Offiziere legten das geringste Interesse für das Schicksal der Leute auf dem fremden Schiffe, das sie gefährdet hatten, an den Tag. Die Passagiere entsetzten sich über die Unempfindlichkeit und Unmenschlichkeit des Capitäns, welcher bei den verzweifelten Hülferufen, die von dem sinkenden Schiffe herbeitönten, völlig ungerührt blieb. Er ließ unbarmherzig die Maschine des „Murillo“, die einige Augenblicke angehalten worden war, wieder in Bewegung setzen und dampfte mit seinem Schiffe davon, die Leute auf dem untergehenden Fahrzeuge ihrem Schicksale überlassend. Etwa 300 Personen verloren bei dem Unglück das Leben, soviel bis jetzt bekannt ist.

Februar 1873. (Schreibweise original).

Unglücksfälle zur See

Juli 21, 2018

Entsetzliche Stürme haben die Küsten Amerikas heimgesucht, und die Nachrichten über Unglücksfälle durch Scheitern, Untergang und Branden von Dampfern und Segelschiffen bilden eine lange Liste. Leider haben mehrere hundert Menschen bei diesen verschiedenen Unfällen ihr Leben verloren. Der Dampfer „Evening Star“, von New-York nach New-Orleans bestimmt, versank 180 Meilen östlich von Tybee am 8. Oktober. Es befanden sich 250 Passagiere und 50 Mann Bemannung auf dem Dampfer, und glaubt man, daß 280 Menschen ihren Tod fanden.

Der britische Dampfer „Queen Victoria“ ging auf hoher See in dem Sturme am 4. Oktober unter. Passagiere und Mannschaft wurden gerettet, und nur zwei Menschenleben verloren. Die Namen der verunglückten Segelschiffe bilden eine lange Liste, die noch nicht vollständig ist.

Die Barke „Laura“, ein Auswandererschiff von Bremen nach Baltimore bestimmt, rettete sich nach dem Hafen von Fort Monroe in sehr beschädigtem Zustande, nachdem sieben Menschen Über Bord geschwemmt, und fünfzig Passagiere verwundet worden waren.

Ueber den Untergang des Dampfers „Evening Star“ trafen am 19. weitere Nachrichten ein, aus denen hervorgeht, daß es das größte derartige Unglück seit dem Untergang des Dampfers „Amerika“ gewesen ist. Von den 300 Personen an Bord sind nur 16 gerettet worden, und es scheint, daß der Untergang ein plötzlicher war. Die Mehrzahl der Passagiere waren Frauen und Kinder, von denen alle zu Grunde gingen. Es befand sich eine französische Opern- und Ballett-Truppe an Bord, die zwei Tage vor der Abfahrt des „Evening Star“ auf dem Dampfer „Ville de Paris“ zu New-York eingetroffen war, und die den kommenden Winter in New-Orleans spielen wollte. Von diesen ist kein Mitglied unter den Geretteten.

Ebenso befanden sich dreißig männliche und weibliche Circusspieler, der Truppe von „Spaulding und Witwell“ angehörig, unter den Passagieren. Auch eine sehr große Anzahl von Frauenzimmern, die von Besitzern schlechter Häuser in New-York ausgelesen worden waren, um die kommende Saison ihr Gewerbe in New-Orleans zu betreiben, ging mit unter. Der Befehlshaber des Dampfers, Capt. Knapp, rettete sich mit 18 Mann in einem der sechs metallischen Lebensrettungsbooten des Dampfers. Das Boot ward neun Mal umgeschlagen, beim sechsten Mal verschwand Capt. Knapp in den Wellen, und kam nicht wieder zum Vorschein, doch erreichten die Uebrigen mit dem Boot den Hafen von Fernandina, in Florida.

Ein anderes Boot stieß mit 16 Personen vom Dampfer ab, schlug 12 oder 15 Mal um, und erreichte am Dienstag den Hafen von Fernandina mit sechs Personen und zwei Leichen an Bord. Der Dampfer war ein starkes neues Schiff, und nur der stärkste Orkan kann seinen Untergang herbeigeführt haben. Er war nicht versichert und ½ Million werth.

Im Oktober 1866. (Schreibweise original)

Über das Unglück der „Gollnow“

April 25, 2018

Von einem schweren Schiffsunglück wurde der Dampfer „Gollnow“, Capitän Steingräber, betroffen. Derselbe unterhielt eine regelmäßige tägliche Verbindung zwischen Stettin und Gollnow und hat besonders an den Tagen vor den Stettiner Wochenmärkten sehr starke Ladung von Fahrgästen, Vieh und landwirthschaftlichen Artikeln. Auch war dies neulich der Fall, als der Dampfer Nachmittags 2 Uhr Gollnow verließ. Nach einstündiger Fahrt machte sich etwa eine Meile von Gollnow, zwischen Redlin und Fürstenflagge, bei dem sog. „Schneckenhorst“ Wasser im Schiffsraum bemerkbar und das Schiff legte sich nach Backbord über, weshalb angeordnet wurde, daß die Fahrgäste, etwa 50, sich mehr auf der anderen Seite halten sollten.

Nun drängte plötzlich alles nach der Steuerbordseite, diese wurde zu stark belastet, der Dampfer schlug plötzlich nach dieser Seite um und kenterte. Die meist aus Kartoffeln bestehende Ladung und das Vieh schoß in’s Wasser, den größten Theil der Fahrgäste mit fortreißend. Wenn es die Nähe der Ufer auch möglich machte, daß sich die Menschen retteten, so wurden doch eine Frau und zwei junge Mädchen vermißt. Die Leiche der ersteren wurde bald gefunden, während die beiden letzteren wohl unter der Ladung liegen.

Als Ursache des Unfalls wird angenommen, daß Fahrgäste unbefugter Weise die im Bug des Schiffes dicht über dem Wasserspiegel liegenden Fenster, die sog. „Bullenaugen“, geöffnet haben und dadurch Wasser in den Raum geströmt ist.

So geschehen im Jahre 1893. (Schreibweise original)