Archive for the ‘Auswanderung’ Category

Von Bremen in die Welt

Dezember 10, 2022

Im Rahmen der Auswanderungsstatistik für das Jahr 1836 aus Bremen wird vom Januar nachgewiesen, daß die Auswanderung nach den Vereinigten Staaten im Jahr 1836, jene in 1835 um das Doppelte übersteigt. 1835 gingen 73 Schiffe mit 6185 Passagiere von Bremen nach den Vereinigten Staaten ab, während 1836 allein 11,811 Passagiere auf 107 Schiffe unmittelbar aus der Weser nach Amerika schifften und 2326 Passagiere in 23 Schiffen von Cuxhaven absegelten.

Demnach verließen 1836 von Bremen aus 14,137 Personen Deutschland, um in Amerika ihre Heimath zu suchen.

Aus dem Jahr 1837. (Schreibweise original)

Schlechter kann es uns nirgends gehen! Teil II. Immense Teuerung aller Lebensbedürfnisse.

August 6, 2022

Auch in der Provinz Schleswig nimmt die Auswanderung nach Amerika dieses Frühjahr enorme Dimensionen an. Es ist dies eine recht traurige Erscheinung, da größtentheils junge rüstige Leute fortgehen, um sich der Militärpflicht zu entziehen, wodurch leider dem Lande die besten Kräfte entzogen werden.

Aus Czarnikau, in Posen, meldet man: Die Auswanderungslust, ist namentlich bei jungen Leuten, auch im diesseitigen Kreise sehr groß, so daß beispielsweise bei dem in voriger Woche hierselbst stattgehabten Ersatzgeschäfte an dem etatsmäßigen Contingente 150 Rekruten fehlten.

Ähnlich lauten die Berichte aus dem Königreich Sachsen; so wird aus Leipzig gemeldet: Am 4. April ist die erste Quote der Mitglieder des Auswanderungsvereins „Colonie Saxonia“, welche sich bekanntlich im nördlichen Theile des Staates Michigan in Nordamerika niederzulassen gedenken, von hier aus nach Hamburg abgereist, wo sie sich am anderen Tage nach Liverpool eingeschifft haben, um von dort aus zur Überfahrt einen der nach Amerika gehenden Dampfer der Star-Linie zu benutzen. Von Dresden und aus der Umgebung sollen 50-60 Personen mit fortgegangen sein. An der Spitze dieser ersten Auswanderer-Expedition stand der Maurer und Schankwirth Wilhelm Ehregott Müller, welcher Vorstand des genannten Auswanderungsvereins ist.

Auch in der Gegend um Werdau greift das Auswanderungsfieber immer mehr um sich. So haben am 26. März mehrere Familien – 33 Köpfe stark – die Stadt verlassen, um nach Brasilien zu gehen, und es sind mit ihnen an demselben Tage aus den Städten Zwickau und Crimitschau resp. 100 und 80 Personen gezogen. Dem Vernehmen nach werden ihnen aus Werdau und Crimitschau Mitte Mai noch 400 Personen folgen. Die Familienhäupter sind lauter junge und kräftige Arbeiter im Alter bis zu 36 Jahren. Sie klagen sämmtlich, daß sie bei den kärglichen Lebensmitteln und der immensen Theuerung aller Lebensbedürfnisse hier außer Stande seien, ihre Familien zu ernähren und rechtlich durchzukommen.

Aus dem Jahr 1873. (Schreibweise original)

Schlechter kann es uns nirgends gehen! Teil I.

August 1, 2022

Aus verschiedenen Theilen Westpreußens werden Klagen über die in diesem Frühjahr erschreckende Dimensionen annehmende Auswanderung der ländlichen Arbeiterbevölkerung vernommen. Für Den, welcher die Lebensweise dieser Classe kennt, ist diese Erscheinung kein Räthsel: Täglich schwere Arbeit bis zur Erschöpfung bei einer elenden Beköstigung, meist nur aus Kartoffeln und einigen Hülsenfrüchten bestehend, keine Erholung, ein Leben ohne Empfindung, ein Vegetiren. „Schlechter kann es uns nirgends gehen; arbeiten wollen und können wir, und die Arbeit wird dort gut bezahlt!“, so argumentiren sie, und dagegen läßt sich allerdings nichts sagen.

In Schwetz fand am 2. und 3. April das Departements-Ersatz-Geschäft statt, und es wurde in Kenntnißnahme für den Staatsanwalt constatirt, daß etwa 1000 Militärpflichtige ausgewandert sind. Im Kreise Mewe rüsten sich etwa 700 junge Leute, anfangs Mai Deutschland zu verlassen. Im Kreise Conitz haben viele Ritter schon die Hälfte ihrer Arbeiter eingebüßt. Mehrere Besitzer versuchen die ihrigen durch Lohnerhöhung zurückzuhalten.

Die Leute stellen jedoch schon ganz andere Forderungen. Es waren die Arbeiterfamilien eines Rittergutes mit ihrer Herrschaft nicht zufrieden, weil sie ihnen außer der Erntefeier kein Vergnügen gewährte, da ihren Verwandten und Freunden in Amerika des Guten doch so viel umsonst geboten werde. Der Gutsherr hielt die Forderung für zeitgemäß, lieb mehrere Wagen vorfahren, packte sämmtliche Männer und Frauen, Knecht und Mägde auf dieselben, und fort ging es zum gewünschten Vergnügen und zwar in den Circus der Kunstreiter-Gesellschaft. Das Vergnügen hat ausnehmend gefallen.

Der Correspondent aus dem Kreise Mewe macht die Bemerkung, daß der letzte Krieg die Auswanderungslust genährt hat. Die Leute haben in den Garnisonsstädten und in Frankreich das Leben von einer anderen Seite kennen gelernt und wollen mit ihrem westpreußischen Loose durchaus nicht mehr zufrieden sein.

Fortsetzung folgt.

Aus dem Jahr 1873. (Schreibweise original)

Weshalb sollen wir zurückbleiben?

Januar 7, 2022

Aus Schwetz in Westpreußen schreibt man – Fast täglich passiren die Bahnhöfe zu Prust, Terespol und Laskowitz Auswanderer, an Sonntagen fast nie unter 30 Personen auf jedem dieser Bahnhöfe. Nach dem Grunde ihrer Auswanderung gefragt, geben die Leute immer wieder die stereotype Antwort: „Schlechter, wie hier kann es uns dort nicht ergehen. Die drüben sind, schreiben doch, daß es ihnen besser ergehe, wie hier. Weshalb sollen wir also zurückbleiben?“

Die polizeiliche Kontrolle bei den Auswanderungsagenten ist eine sehr scharfe geworden.

Im Jahr 1881.
(Schreibweise original)

Rosiges Westpreußen?

November 5, 2021

Die Zustände in Westpreußen sind nichts weniger als rosig, schreibt ein radicales Blatt aus Marienwerder. Das Kreisgericht Schwetz verfolgt 22, Kreisgericht Straßburg 196, Kreisgericht Thorn 226 Heerespflichtige, welche durch unerlaubtes Verlassen des Bundesgebietes sich dem Eintritt in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte entzogen haben.

Ein Seitenstück hierzu ist: daß nach der letzten Volkszählung sich vermindert hat die Bevölkerung von Marienwerder von 7472 im Jahre 1867 auf 7285 Seelen, Mewe von 4349 auf 4130. Sterblichkeit und Auswanderung waren sehr stark, namentlich nimmt Letztere immer größeren Umfang an.

Trotz der Maßregeln, welche die deutsche Bundesregierung gegen die Auswanderung ergriffen, nimmt die Letztere in Deutschland und besonders in Preußen fortwährend zu. Seit mehreren Tagen sind unsere Straßen wieder von Auswandererzügen aus Westpreußen belebt, denen, nach Aussage dieser Leute, im Frühjahr noch größere Schaaren folgen werden.

Aus dem Jahr 1872.
(Schreibweise original)

Die diesjährige Auswanderung (1870)

Oktober 13, 2021

Wie man unlängst erfahren hat, unterscheidet sich die diesjährige Auswanderung nach Amerika in auffallendem Maße von denen früherer Jahre dadurch, daß fünf Sechstel der Auswanderer Leute sind, welche mit Kapital versehen in den Vereinigten Staaten eine neue Heimath aufsuchen. Außerdem weist die große Mehrzahl der Auswanderer viel Kenntnisse auf.

Bisher waren es namentlich Bauern und Tagelöhner aus Pommern, Westpreußen und Posen, die das eigentliche Kontingent der Auswanderung stellten, zum großen Theil also Personen, die ohne jede Kenntniß der Verhältnisse der Union dorthin gingen und bis zu ihrer Ansiedelung den mannigfachsten Gefahren ausgesetzt waren.

In diesem Jahre ist es besonders der intelligentere Handwerker und Kaufmann, der sein Glück drüben versuchen will. Außer den genannten Distrikten stellt namentlich auch die Priegnitz eine bedeutende Menge von Auswanderern, die früher ausgewanderten Landsleuten folgen. Viele Priegnitzer sind, was nicht uninteressant ist, Mitbegründer von Chicago und darum sehr reich gewordene Leute.

Juni 1870.
(Schreibweise original)

Juliane Friederike Lange

Mai 22, 2021

Am Freitag, den 17. April 1896 um sechs Uhr Morgens starb an Altersschwäche Frau Juliane Friederike Lange, geb. Gäde, im Hause ihrer Tochter, Frau Valentin Seibert. Das Begräbnis fand am Sonntag, den 19. April vom Trauerhause aus statt – etwa 55 Wagen mit Leidtragenden folgten der Leiche, ein Beweis, in welch hoher Achtung die Verstorbene stand.

Sie wurde am 06. November 1815 in Fiehlene in der Provinz Posen in Deutschland geboren; im Jahre 1837 verehelichte sie sich mit Samuel Lange aus Marienwalde. Dieser Ehe entsprossen neun Kinder, von denen vier ihr bereits früher im Tode vorangingen. Im Jahre 1873 wanderte sie mit ihrem Gatten und den Kindern nach Amerika aus, wo sie sich in Fond du Lac, Wisconsin, niederließen. Dort wohnte sie bis 1883. Ihr Gatte siedelte im Jahre 1882 nach Süd-Dakota über und nahm Wohnung bei der Tochter Frau Valentin Seibert nahe Tea.

Im Jahre 1883 folgte sie ihm dorthin nach und blieb bis zu ihrem Tode bei der erwähnten Tochter wohnen. Ihr Gatte ging ihr am 03. September 1884 im Tode voran. Sie hinterläßt fünf Kinder, wovon zwei Töchter, Frau Julius Meyer und Frau Fritz Kobs in Fond du Lac und ein Sohn, Herr Karl Lange, in Oshkosh, Wisconsin wohnen, während die andere, vorerwähnte Tochter Frau Valentin Seibert, 1 ½ Meilen südlich von Tea in Lincoln County, Süd-Dakota, und ein Sohn, Herr Wilhelm Lange, in Sioux Falls, Süd-Dakota wohnt. Ihre jüngere Nachkommenschaft zählt 27 Großkinder und zwei Urgroßkinder.

Die Verstorbene war eine treue Gattin und liebende Mutter und Großmutter, eine echte deutsche Hausfrau, deutsch im vollsten und besten Sinne des Wortes. Sie war in weiter Umgegend, auch in Sioux Falls, bekannt und beliebt; wer je mit ihr in Berührung kam, lernte sie hochachten.

April 1896. (Schreibweise original)

Deutsche Auswanderungsstatistik. Teil III. Verlorener Reichtum.

Mai 18, 2021

Seit 1877 ist freilich, wie schon angedeutet, die Flut wieder im Steigen; das Procentverhältniß der Gruppen gestaltet sich wie 33 zu 41, wofür die Gründe aber unschwer in der herrannahenden geschäftlichen Krisis, der Enttäuschnug über den Milliardensegen und der Furcht vor neuen Kriegsereignissen zu erkennen sind. Besonders bemerkenswerth und für den Werth der Auswanderung sprechend ist der Umstand, daß beinahe drei Viertel aller Auswanderer erwachsene waren und daß von den letzteren fast zwei Drittel dem männlichen Geschlechte angehörten. Wird dies Verhältnis auf die amtlich ermittelte Auswanderung seit 1841 angewandt, so ergiebt sich ein Abzug von mehr als 400,000 streitbaren Männern – die körperlich untüchtigsten ziehen bekannntlich am wenigsten weg – allein aus Preußen. Hierzu sind noch alle diejenigen zu rechnen, die in den amtlichen Listen keine Aufnahme gefunden haben, wenigstens 100,000.

Sonach hätte Preußen in 33 Jahren mehr als eine halbe Million rüstiger Männer verloren und ganz Deutschland hat an die Ver. Staaten allein seit 1820 weit mehr als eine volle Million abgegeben. Was diese Arbeitskraft für die Union gethan und wie weit sie für den Aufschwung des Ackerbaus, der Industrie und des Handels der Ver. Staaten verantwortlich ist, wäre ein anderes interessantes Feld der Untersuchung. Wenn Texas von dieser Masse Muskeln und Sehnen nur den zehnten Theil erhalten hätte, wie ganz anders würden sich unsere Verhältnisse gestaltet haben!

Nimmt man an, daß die Erziehung eines Menschen bis zum ausgewachsenen Manne nur $200 kostet, so hätten 100,000 Männer ein Betriebskapital von $20,000,000 in das Land gebracht. Und rechnet man weiter, daß eine gute Arbeitskraft für Texas jährlich $500 werth ist, so würden diese 100,000 Männer den Nationalreichthum des Staates in einem Jahre um 50 Millionen, in zehn Jahren um 500 Millionen vermehrt haben. Das sollte den engherzigen Grangern rnit ihrer feindseligen Einwanderungspolitik zu denken geben.

Von 1879. (Schreibweise original)

Deutsche Auswanderungsstatistik. Teil II. Auswanderungsjahre.

Mai 15, 2021

Die Jahre 1867-1877 können in Preußen geradezu als Auswanderungsjahre bezeichnet werden. 427,021 Personen verließen während derselben das Staatsgebiet, während auf den doppelt so langen Zeitraum vom 1. October 1844-1866 nur 394,012 Auswanderer kommen. Allerdings zählen in jener Periode 84,771 Auswanderer aus den neuen Provinzen mit, immerhin stellt sich aber das Verhältnis so, daß für die sechs östlichen Provinzen reichlich so viele Personen auswanderten als früher: 223,440 gegen 220,263. Ungleich günstiger gestaltet sich das Verhältniß für die westlichen Provinzen indem den 173,749 Auswanderern der ersten Periode nur 62,161 der zweiten gegenüber stehen. Im einzelnen gestalten sich die Zahlen besonders günstig für die Provinzen Preußen, Posen und Pommern, normal für Brandenburg und allenfalls Schlesien, sehr günstig für Sachsen.

Fassen wir das letztere Jahrzehnt, welches wegen der größeren Sicherheit der Ermittlungen vorzugsweise das entscheidende ist und deßhalb auch für die weiteren nachfolgenden Erörterungen als Norm dienen kann, noch näher ins Auge und unterscheiden wir dabei aus naheliegenden Gründen die Zeiten vor und während und nach dem französischen Kriege, so ist es abermals die östlichste Provinz, welche die erheblichste Zunahme der Auswanderung aufweist, während die drei neu erworbenen Provinzen ein günstiges Bild bieten.

Das bei Weitem ungünstigste Jahr in diesen Perioden und überhaupt seit 1844 ist das Jahr 1872. Indessen schon im folgenden Jahre besserte sich das, woran dann ein völliger Umschlag eintrat, indem von 1874 an die Anzahl der Auswanderer rasch fiel. Diese fallende Richtung zeigt sich im einzelnen bei allen Provinzen, am stärksten bei den sechs östlichen, dann bei den drei neu erworbenen, am schwächsten bei den zwei westlichen; in den ersteren sank sie auf den vierten Theil herab. Die Wirkungen des österreichischen wie des französischen Krieges waren eben in Hinsicht der Auswanderung bedeutend abgeschwächt und in ihrem Eldorado America hatten sich die Verhältnisse derartig umgestaltet, daß sie Vieles von ihrem verlockenden Wesen verlieren mußten.

Zweifelsohne haben aber auch die Milliarden hier stark mitgewirkt, wie die auffallende Thatsache beweist, daß die 1872 gar starke Auswanderungsbewegung an den Großindustriebezirken beinahe spurlos vorübergegangen ist. Während sie aus den spärlich bevölkerten Bezirken Danzig, Marienwerder und Bromberg gegen 19,000 Menschen fortbewegte, vermochte sie aus Berlin, Arnsberg, Düsseldorf, Köln mit mehr als der doppelt sogroßen Einwohnerzahl keine 1800 Personen mit sich wegzureißen. Und während im Jahre 1873 die Provinzen Preußen, Pommern und Posen mit 53 Procent an der Gesammt-Auswanderung betheiligt waren, kommen auf die mit einer hochentwickelten Industrie gesegneten Rheinlande, Westfalen. Sachsen, Brandenburg und Schlesien nur 20 Procent.

Von 1879. (Schreibweise original)
Fortsetzung folgt.

Deutsche Auswanderungsstatistik. Teil I. Eine klaffende Wunde.

Mai 9, 2021

In der deutschen Reichstagssitzung vom 8. März dieses Jahres bezeichnete der Abgeordnete Lingens die Auswanderung als eine klaffende Wunde Deutschlands, als eine Krankheitserscheinung, mit deren Untersuchung sich die leitenden Staatsmänner ernstlich zu beschäftigen hätten. Diese Worte waren auf keinen steinigen Boden gefallen. Man muß indeß der preußischen Regierung gerecht werden und die Thatsache anerkennen, daß diese es sich schon seit Mitte der vierziger Jahre hat angelegen sein lassen, über die Aus- und Einwanderung zuverlässige Daten zu sammeln. Wenn uns nun auch keine Statistik über die Auswanderung aus dem gesammten Deutschland vorliegt, so haben wir doch an der Statistik über die Auswanderung aus den preußischen Provinzen einen Anhaltepunkt, der uns eine annähernde Zahl von der Gesammtauswanderung aus den deutschen Gauen zu bilden gestattet.

Es ergibt sich daraus, daß in dem Zeitraume vom 1. October 1844 bis zum Schlusse des Jahres 1877 nicht weniger als 821,033 Personen das Gebiet des jetzigen preußischen Staates verlassen haben. Auf die einzelnen Provinzen waren sie auf folgende Prozentsätze vertheilt: Preußen 15,9, Rheinland 13,1, Schlesien 11,6, Hannover 11,1 (seit 1867 einschließlich), Schleswig-Holstein 10,3, Posen 11,1, Pommern 6,8, Brandenburg 6,6, Sachsen 5,9, Hessen-Nassau 4,2, Westfalen 3,9, Hohenzollern 0,5. Berücksichtigt man, daß diese Ziffern im Wesentlichen nur den Austritt aus dem preußischen Unterthanenverbande, soweit derselbe von den Behörden zur Zahl gebracht ist, erkennen lassen, daß die Tabellen für den Zeitraum von 1844 bis 1854 die Zahl der ohne förmliche Entlassungs-Urkunden Ausgewanderten nicht enthält, sodann daß die Ermittlungen für die neugewordenen Gebietstheile erst seit dem Jahre 1877 anheben, so erhellt, daß die wirkliche Auswanderung eine ungleich größere gewesen sein muß. Obige Gesammtsumme vertheilt sich auf die einzelnen Provinzen wie folgt: Preußen 77,905, Rheinland und Hohenzollern 150,359, Schlesien 52,103, Hannover 67,407, Schleswig-Holstein 39,640, Posen 64,774, Pommern 118,386, Brandenburg 60,768, Sachsen 69,766, Hessen-Nassau 34,373, Westfalen 85,551.

In Gruppen eingetheilt ergeben sich 443,703 für die sechs östlichen Provinzen, 235,910 für die beiden westlichen, 141,420 für die neu erworbenen drei mittleren. Die selbstredend für jeden einzelnen Regierungsbezirk oder Landdrostei ausgemittelten Jahreszahlen ergeben, daß die Flut der Auswanderung im Westen beginnend, sich in ziemlich regelmäßiger Bewegung nach dem Osten fortgesetzt hat, daß sie ihren ersten Höhepunkt in der Mitte der fünfziger Jahre in den westlichen Provinzen, ihren zweiten gegen Ende der sechziger Jahre in den mittleren und ihren dritten zu Anfang der siebziger Jahre in den östlichen Provinzen erreichte, wo die Flut zwar abläuft, sich anscheinend aber von Neuem zu erheben beginnt.

Eben so läßt sich erkennen, daß der Strom der Auswanderung seit 1867 stellenweise ein ungleich heftigerer gewesen ist als je zuvor, daß also die von Westen heraufgekommene Flut an Kraft nicht nachgelassen, vielmehr gewonnen hat; eine um so beachtenswerthere Erscheinung, als die Auswanderung in dem östlichen Theile der Monarchie eine dünnere Bevölkerung betroffen, als um so größere Lücken gerissen hat.

Von 1879. (Schreibweise original)
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland. Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Juni 27, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Reichskanzler-Amt. An den Abgeordneten zum Reichstag, Hrn. Mosle.

Wohlgeboren, hier. Berlin, 12. Februar 1876. Ew. Hochwohlgeboren erwiedere ich auf das gefällige Schreiben vom 9. ds. MtS. unter Rücksendung der Anlage ergebenst, daß ich nach dem Zustande meiner Gesundheit und der Lage der Geschäfte gegenwärtig nicht im Stande bin, den Kapitän Brickenstein persönlich zu empfangen. Den Verhandlungen der britischen Behörde über die Strandung des Dampfers „Deutschland,“ deren Ergebniß Hrn. Brickenstein zu dem Wunsche veranlaßt hat, wegen Einleitung einer anderweiten Untersuchung des Unfalles mündlich bei mir vorstellig zu werden, bin ich mit Aufmerksamkeit gefolgt.

Ich bedaure, daß das Urtheil des Board of Trade für ihn nachtheilig ausgefallen ist, und ich verkenne nicht, das er ein wesentliches Interesse daran hat, das Versehen, welches das Urtheil ihm zur Last legt, von sich abzulehnen; indeß habe ich nach dermaliger Lage der Gesetzgebung keine Mittel, eine nochmalige Untersuchung des Vorganges durch eine deutsche Behörde amtlich herbeizuführen. Nach der deutschen Gesetzgebung kann eine amtliche Feststellung der Ursachen eines Seeunfalles nur im Wege der Verklagung, des Civil Prozesses oder des Strafprozesses, mithin nur in einem gerichtlichen Verfahren erfolgen, dessen Einleitung meiner Einwirkung völlig entzogen ist.

Ew. Hochwohlgeboren stelle ich ergebenst anheim, Hrn. Brickenstein hiervon gefälligst Kenntniß zu geben. Der Reichskanzler v. Bismarck.

Februar 1876. (Schreibweise original).
Ende.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Also sprach der Reichskanzler von Bismarck, möge die Geschichte der Deutschland nach nunmehr 145 Jahren hier im Internet einen würdigen Abschluß finden.

Das Unglück der Deutschland. Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.

Juni 22, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Berlin. Hotel du Nord, 10. Febr. 1876.

Herrn Capt, E. Brickenstein, Bremen. Der Inhalt Ihres werthen gestrigen Schreibens hat meine volle Aufmerksamkeit gefunden und ich habe geglaubt, Ihren Wünschen am Besten entsprechen zu können, indem ich Ihren Brief im Original dem Fürsten Bismarck übersandte unter Anheimstellung der Erfüllung Ihrer Wünsche. Sie müssen nun abwarten, was darnach kommt; ich gebe Ihnen Nachricht, sobald ich Antwort habe.

Prima vista glaube ich nicht, daß es möglich sein wird, noch nachträglich ein deutsches Seegericht zu berufen. Ich wünsche Ihnen aber sehr, daß der Fürst Reichskanzler Sie persönlich empfangen möge, und habe das Letztere auch, soweit es an mir ist, gefördert. Ich erwarte nämlich von solcher persönlichen Unterhaltung des Fürsten mit Ihnen das Beste für Sie, über Ihr persönliche Interesse hinaus aber auch eine neue Anregung und Hinlenkung der Aufmerksamkeit Fürst Bismarck´s auf unsere Schifffahrts-Angelegenheiten überhaupt; denn leider scheint es mir, als wenn diese im Reichskanzleramte nicht die gebührende Beachtung finden, vielmehr stiefmütterlich behandelt werden.

Man glaubt, genug zu thun, wenn man den Engländern Einiges an Gesetzen nachmacht, denn Das ist recht bequem, und die Bewunderung englischer Einrichtungen ist am Ende auch der Grund, weshalb man, statt bei uns mit der Einrichtung von Seegerichten vorzugehen, den Engländern über ihre Seegrenze hinaus in einer der Geschichte der Völker unerhörten Weise das Recht eingeräumt hat, deutsche Schiffsmannschaften vor ihr Gerichtsforum zu ziehen.

In zwei Punkten sind Sie übrigens irrig: 1. ist es unrichtig, wenn Sie sagen, daß Sie sich dem englischen Seegerichte stellen mußten, denn das ist Ihr freier Wille gewesen. Sie haben sich pflichtmäßig den Wünschen unserer Regierung gefügt, waren aber nicht dazu gezwungen! Niemals würde m. E. ein Brite sich dentschen Gerichten zur ßeurtheilung in einer Sache nach Sprache und Gesetzen, die er nicht versteht, gestellt haben, niemals würde auch ein britischer Gesandter Das zugegeben haben; 2. sind Sie nicht verurtheilt, sondern beurtheilt. Das gerichtliche Straferkenntniß ist nicht ausgesprochen, das Gericht hatte nicht dazu das Recht; es ist eigentlich nur über Sie und Ihre Ausführung vor und nach dem Strandungsfalle berichtet.

Freilich ist der Bericht des Board of Trade so absprechend, daß die Folgen für Sie dieselben sein müssen, wie die einer Aburtheilung. Ich beklage Das tief, glaube auch wohl, daß der Bericht in diese Hinsicht arbiträr urtheilt, und bin auch gern bereit, zu thun, was ich kann, um eine diesseitige Revision und Ihre weitere Untersuchung des Strandungsfalles zu veranlassen. Einstweilen müssen wir abwarten, was der Reichskanzler auf meine Mittheilung beschließt; daß er „persönlich“ die Wichtigkeit der Interessen, welche hier in Frage stehen vollkommen erkennt und den besten Willen hat, Ihnen und jeden, Deutschen gerecht zu werden, und unsere nationalen Interessen zu schützen und zu pflegen, Das hat er uns mehr als einmal bewiesen!

Hoffend, Ihnen bald weitere Nachricht geben zu können, begrüße ich Sie. Ihr aufrichtig ergebener A. G. Mosle.

Februar 1876. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Das Unglück der Deutschland. Teil VI. Schriftverkehr. Gekränkte Ehre.

Juni 18, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Capitän Brickenstein glaubt, daß das englische Urtheil zu hart ausgefallen ist, und will durch diese Veröffentlichung beweisen, daß er sich vor einer deutschen Untersuchung auch auf Grund der englischen Akte nicht scheut, dieselbe vielmehr vergeblich zu veranlassen gesucht hat.

8. Febr. 1876. Herrn Reichstags-Abgeordneten A. G. Mosle, Berlin.

Sehr geehrter Herr! Da ich weiß, daß Sie ein großes Interesse an dem Unglücksfall des Dampfers “Deutschland“ bekundet haben, so wage ich, Sie mit diesen Zeilen zu belästigen. Wie Sie bereits wissen, ist das Urtheil des „Board of Trade“ gegen mich ausgefallen und zwar so hart, daß ich das Bewußtsein habe, ein solches Urtheil nicht verdient zu haben. Da ich mich dem Gerichte in England stellen mußte, ohne eine Wahl meinerseits zu haben, so glaube ich, daß die Reichsregierung mir eine neue Untersuchung bewilligen muß; wenn ich mich in meiner seemännischen Ehre gekränkt fühle durch ein ungerechtes, einseitiges Urtheil.

Damals in London hatte ich wohl den härtesten Kampf körperlich und geistig zu bestehen gehabt, und verbraucht und angegriffen, wie ich von dem Unglück war, die anstrengenden, ja, quälenden Verhandlungen durchzumachen. Jetzt sehne ich mich darnach, die Unhaltbarkeit des Urtheils und die theilweise gänzliche Nichtbeachtung der Aussagen laut stenographischer Auszeichnungen nachzuweisen. Ich habe mit Herrn Dr. J. Heineken Rücksprache genommen, und ob er zwar an einer Bewilligung einer neuen Untersuchung Seitens des Reichs zweifelt, hält er es doch für den einzig möglichen Weg, mich direkt an den Reichskanzler zu wenden, gab mir aber den Rath, zuvörderst bei Ihnen um Informationen anzufragen.

Ich wollte Sie ergebenst ersuchen, mir zu sagen, ob ein persönliches Erscheinen meinerseits in Berlin zur Erreichung einer Audienz beim Reichskanzler oder ein Immediatgesuch an denselben der geeignete Weg sei, ein für die Erlangung einer neuen Untersuchung günstiges Resultat zu erzielen. Ich bin sonst hülflos dem Odium dieses Urtheils preisgegeben und fühle doch, daß es für einen deutschen Kapitän einen Weg geben muß, bei seiner Regierung zur Wahrung seiner Ehre Schutz zu finden. Ich bitte Sie geehrter Herr, mir, wenn Sie können, in dieser Angelegenheit zu helfen, womöglich zu einer Audienz bei’m Reichskanzler oder zu einer neuen Untersuchung durch die Reichsbehörde.

Eduard Brickenstein

Februar 1876. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Das Unglück der Deutschland. Teil V. Der Bericht des Kapitäns.

Juni 12, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Capitän Brickenstein, welcher den verunglückten Dampfer „Deutschland“ führte und heute in Harwich sich aufhält, folgenden umständlichen Bericht über das Stranden des Dampfschiffes erstattete: „Wir verließen Bremerhaven am Sonntag Morgen und hatten früh am folgenden Morgen (Montag) mit einem heftigen Schneesturm von Nordost zu kämpfen. Das Wetter war so nebelig, daß wir das Senkblei unaufhörlich auswerfen und die Schnelligkeit des Schiffes vermindern mußten. Es lief um 5.30 Morgens die Sandbank an und begann bald darauf sehr stark zu stoßen. Mehrere Fahrzeuge fuhren ganz nahe an uns vorbei, beachteten aber unsere Nothsignale ganz und gar nicht. Ich befahl nun, die Rettungsboote bereit zu halten, erachtete es aber nicht für rathsam, die Boote bei dem Ungestüm der Wogen in’s Wasser zu lassen.

Ein Boot wurde jedoch trotz meines ausdrücklichen Verbotes in’s Wasser gelassen, allein es schlug um, als es kaum das Wasser berührt hatte und sechs in dem Boote befindliche Personen ertranken. Eine ungeheure Schlagwelle fegte einige Minuten später über das Verdeck u. schwemmte viele von den Passagieren, welche vorher mit Lebensrettungs-Apparaten versehen worden wären, über Bord. Ich gebot nun den Passagieren in das Takelwerk zu klettern, doch retteten sich einige auf das Dach des Steuerrades und wurden dann von dem inzwischen angekommenen Schleppdampfer um 10 Uhr Morgens befreit.

Zwölf Leichen, darunter die von vier Nonnen, wurden in Harwich gelandet und ist man der Ansicht, daß nur noch wenige oder vielleicht keine Leichen an Bord sich vorfinden. Die Nonnen, von denen die Depesche spricht, waren Franziskanerinnen aus Salzkotten in Westfalen, die wegen der Religionsverfolgung in Preußen nach Amerika gingen, aber in dem Schiffbruch ums Leben kamen.

Inzwischen gab die Jury ein auf Tod in Folge von Bloßstellung lautendes Verdikt ab, und überläßt es somit der Jury in Harwich, die Verantwortlichkeit für die Katastrophe festzustellen. Der Inquest über die Leichen nahm gestern seinen Anfang, doch ergab das Verhör des Kapitäns u. der Mannschaft nichts Neues.

Dezember 1875. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Das Unglück der Deutschland. Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.

Juni 9, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Nach den letzten Berichten schätzt man, daß wenigstens 88 Personen, von denen 46 Passagiere waren, umgekommen sind. In Sheerneß fand ein Inquest über die in dem Quartiermeisterboote gefundenen Leichen statt. Die Verhandlungen waren nur formell. Die Jury weigerte sich, eine Vertagung zu beschließen, bis das Resultat der amtlichen Untersuchung in Harwich vorliegt. Capt. Brickenstein wurde zuerst vernommen. Er sagte, daß die Bemannung des Dampfers 99 Personen zählte. Nachdem derselbe Bremerhaven verlassen, steigerte sich der Sturm zum Orkane. Die Schnelligkeit des Dampfers wurde reduzirt. Am Sonntag Morgen gegen 4 Uhr zeigte das Senkblei 17 Faden Tiefe; dieses war 7 Minuten vorher, ehe der Dampfer auflief. Sofort wurde die Brandung durch das Schneegestöber sichtbar. Ließ die Maschine rückwärts arbeiten, die Schraube brach, ehe der Dampfer sich rückwärts bewegte.

Das Boot trieb auf den Sand 28 Stunden vor der Rettung der noch lebenden Passagiere. Am Dienstag Morgen gegen 3 Uhr füllte sich der Dampfer mit Wasser, und die Passagiere mußten in die Takelage klettern. Wenn in der Montags-Nacht ein Rettungsboot ausgeschickt worden wäre, hätten viel mehr Personen gerettet werden können. Es ergab sich, daß in Harwich kein Rettungsboot stationirt ist. Capt. Brickenstein sagte während des Verhörs, er habe keine Befürchtung empfunden, weil er das Leuchtfeuer von Galloper nicht gesehen, denn er habe nicht erwartet, dasselbe vor ½ 7 Uhr Morgens zu Gesicht zu bekommen. Wenn man die Brandung früher wahrgenommen, hätte das Schiff vielleicht gerettet werden können. Die anderen Offiziere bestätigten die Aussagen.

Bei der Untersuchung in Harwich sagte gestern Capt. Brickenstein aus, daß er vorüberfahrenden Fahrzeugen Signale gegeben habe, daß jedoch keins dieselben beachtete. Die Geschworenen und Andere gaben zu, daß man die Nothsignale in Harwich sah. Ein Geschworener sagte, daß die Seeleute sich nicht verpflichtet fühlten, ohne Rettungsboot ihr Leben zu wagen.

…wird berichtet (10.12.), daß der Dampfer Deutschland entzwei gebrochen ist.

…wird berichtet, als am Dienstag Morgen die Passagiere in die Wanten beordert wurden, begingen ein Mann und eine Frau Selbstmord aus Verzweiflung. Adolph Hermann half dem Fräulein Anna Petzold von New-Jork in die Takelage und Beide wurden gerettet. Sie sind jetzt verlobt. Viele der Geretteten litten durch Frostbeulen. Mehr als die Hälfte der Passagiere waren Deutsch-Amerikaner.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Das Unglück der Deutschland. Teil III. Noch mehr Gerettete.

Juni 3, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Weitere Menschen konnten gerettet werden:

Erste Kajüte: Karl Dieterich
Zweite Kajüte: Procopi Kadolkoff
Zwischendeck: Florian Bäuerle, G. Drettert oder Freldrit, Anna Hübner, Wilhelm Sorge, Maria Steuernagel, E. Schuster, Anton Teiche, Georgine Frank und Johann Gaß.

Liste der geretteten Mannschaft

Brickenstein, Capitän, A. Löwenstein, erster Offizier; H. Bremer, zweiter Offizier; Behrend, dritter Offizier. Dr. Blom, Schiffsarzt. R. Schmidt, erster Maschinist; Marcke, zweiter Maschinist; Midrael, dritter Maschinist. P. Kluze, H. Luggers, W. Gebracht, Hülfs-Maschinisten. Bödeker, Harvey, Lootsen. Henry Blegg, Steward; Albert Fouske, Eduard Edmann, Gustav Buschmann, Franz Thiele, Friedrich Janssen, Hülfs-Stewards. Dietrich Steger, erster Zimmermann; Jan Neuschen, zweiter Zimmermann. Johann Bering, Segelmacher.

E. Halsen, Bäcker. Henry Wiemann, erster Bootsmann; Johann Selking, zweiter Bootsmann. Franz Bellmer, Diedrich Feldhurs, Johann Fischer, G. Steinmeyer, Köche. Martin Knöfler, Wärter. Joh. Menkens, Schiffsjunge. Fritz Wendt, Heinrich Thermahlen, Dietrich Schinkuhl, Franz Albersmuir, Ferdinand Kehrberg, Friedrich Claus, Christoph Schäfer, Franz Nowinski, Longing, Wilhelm Beier, Meutz, König, Heizer. Georg Weiß, Christian Haase, Heinrich Maas, Steuerer. Georg Geisich, Friedr. Neumann, Zeidler, Matrosen.

Es ist wahrscheinlich, daß noch andere Personen gerettet sind; doch kann man jetzt die Namen nicht genau ausfinden. Das Kind der Anna Gmolk starb auf dem Schleppdampfer, welcher die Passagiere rettete. Im Ganzen werden etwa 40 Passagiere und 50 Matrosen vermißt. Otto v. Tramnitz, der vierte Offizier des Dampfers „Deutschland,“ welcher umkam, war bei der östreichischen Polar-Expedition.

Dezember 1875. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Das Unglück der Deutschland. Teil II. Details.

Mai 27, 2020

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.

Die folgenden geretteten Passagiere des Dampfers „Deutschland“ sind in Harwich gelandet:

1. Cajüte: Wm. Leick und Carl Dietrich Mever, 2. Cajüte: Theodor Tillmann, Helene Schem, J. Sauer, Hermann Seathan, Franz Hann, Alfred Wellig, Adolph Hermann, Anna Pitschold.

Folgende Personen werden vermißt:

1. Cajüte: J. Großmann, 2. Cajüte: Ludwig Hermann, Maria Förster, Emil Hack, Bertha Fundling, Theodor Fundling, Barbara Hilkenschmidt, Heinrich Faßbinder, Zorbelda Rienkober, Aurora ßadjura, Brigitta Lambert und O. Lindgren.

Die Namen der Zwischendeck-Passagiere konnten noch nicht in Erfahrung gebracht werden. Regierungs-Dampfer und Schleppboote sind von Southampton nach dem Wrack abgegangen. Eine Depesche, welche heute Morgen 2 Uhr von Harwich eintraf, meldet, daß zwei Boote den Dampfer verließen, eines derselben enthielt vier und das andere drei Personen. Aus den Berichten der Passagiere geht hervor, daß die Boote fortgerissen wurden. Passagiere und Mannschaften kletterten in die Takelage, aus welcher Viele fortgerissen wurden. Die Berichte scheinen übereinzustimmen, daß die Zahl der Umgekommenen fünfzig nicht übersteigt. Die Ueberlebenden litten schrecklich durch Wind und Wetter.

…wird berichtet, daß August Haum und Eduard Slaam aus der zweiten Cajüte unter den Geretteten sind. Die Passagiere wurden heute Mittag gerettet und um 3 Uhr gelandet. Vom Dampfer „Deutschland“ stiegen während des ganzen Montag-Abend bis zum Dienstag Morgen Raketen auf; obgleich man dieselben in Harwich sah, so war es doch unmöglich, Hülfe hinaus zu schicken, bis der Orkan nachließ. Heute Morgen 4 Uhr brachte der Schleppdampfer „Liverpool“ 51 Personen an’s Land, darunter alle Offiziere mit Ausnahme des 4. Offiziers. Ein Kind starb an Bord des Schleppdampfers. Die Zahl der Leichen in der Cajüte des Dampfers betrug 50. Andere sind wahrscheinlich in den vermißten Booten umgekommen. August Beck, der Proviantmeister, liegt im Sterben; seine Glieder sind geschwollen und schwarz angelaufen. Er konnte nur unter großen Schwierigkeiten Bericht erstatten.

Er sagte, sein Boot sei durch ein Tau an das Schiff gebunden gewesen; dieses Tau sei gerissen und da er keine Ruder gehabt, so hätte er nicht zurückkehren können. Das Boot sei seewärts abgefallen, und er habe mit seinen Kameraden das Segel aufgehißt; sie seien den ganzen Tag und die folgende Nacht vor dem Winde getrieben. Ein Zwischendecks-Passagier, Namens Fürstenberg, sei bei ihm im Boote gewesen. Derselbe war nur dünn gekleidet und hatte weder Schuhe noch Strümpfe an. Er starb bald. Sein anderer Gefährte, ein Matrose sei kurz nach Fürstenberg gestorben. Ein Rettungsboot sei nicht vorhanden gewesen und ein anderes habe sich nicht hinaus wagen dürfen.

Die Scene auf dem Wrack bei der Ankunft des Schleppdampfers spottet aller Beschreibung. Männer, Frauen und Kinder hingen in der Takelage, aus welcher schon eine Anzahl von den Sturzwellen fortgerissen worden waren. Viele waren nahezu entkräftet. In der Cajüte sah man die Leichen von Frauen und Kindern in Nachtkleidern. Der Schleppdampfer brachte 140 Personen, dünn gekleidet. Der deutsche Consul, Oliver W. Williams, nahm sich der Schiffbrüchigen sofort an und versah sie mit Nahrung, Kleidung und Obdach.

…wird berichtet, daß die Passagiere sämmtlich zur Ruhe gegangen waren, als der Dampfer auflief. Die Scence, welche nun folgte, war eine schreckliche. Als der Schleppdampfer „Liverpool“ an dem Wrack ankam, war der Rumpf gänzlich unter Wasser. Zwei Boote, welche im Laufe der Nacht in’s Wasser gelassen wurden, kenterten und 5 Personen ertranken.

Dezember 1875. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Das Unglück der Deutschland. Teil I. Erste Nachrichten.

Mai 21, 2020

Der Dampfsegler “Deutschland“ erlitt am 06.12.1875 vor der englischen Küste Schiffbruch. In mehreren Berichten werden die Details und Hintergründe thematisiert.

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Die folgenden Nachrichten darüber bringt das Kabel:

…wird berichtet, daß in jener Gegend ein Boot, von dem Bremer Dampfer „Deutschland“, welcher am 4. Dezbr. von Bremerhaven nach New-Jork abfuhr, gelandet ist, in welchem sich ein Matrose und die Leichen zweier Anderen befanden. Der Mann berichtet, daß der Dampfer irgendwo in der Nordsee aufgelaufen sei. Die beiden Männer in dem Boote starben infolge langer Strapazen, Bloßstellungen und Entbehrungen. Sie waren nahezu 38 Stunden in dem offenen Boote auf dem Wasser.

…wird berichtet, daß der Mann, welcher in dem offenen Boote eintraf, der Proviantmeister des Dampfers „Deutschland“ war und August heißt. Einer von den beiden Männern, welche unterwegs umkamen, heißt Fürstenstem; der Name des Anderen ist unbekannt. August berichtet, daß der Dampfer auf einer Sandbank in der Nordsee auflief. Ehe August mit seinen Gefährten abfuhr, wurde bereits ein anderes Boot abgesandt, dessen Schicksal bis jetzt unbekannt ist. Das Schicksal des Dampfers „Deutschland“ ist gleichfalls unbekannt. August glaubt, daß der Dampfer mit allen an Bord befindlichen 150 Personen verloren ist.

Die Firma kennt weder den Name des Capitäns, noch der Offiziere oder der Bemannung des Dampfers, da das ganze Personal neu ist. Der Dampfer lag seit letztem Februar in Bremerhaven auf dem Dock. Die Agenten glauben, daß wahrscheinlich nur sehr wenige Passagiere an Bord waren. Die Einwanderung ist zu dieser Jahreszeit sehr unbedeutend. Die Agenten haben um nähere Auskunft nach Bremen telegraphirt.

Der Dampfer „Deutschland“ war eines der besten Fahrzeuge der Flotte des Norddeutschen Lloyd. Das Fahrzeug wurde vor ungefähr 10 Jahren in Greenock, Schottland, gebaut und bestand das schlimmste Wetter, das jemals ein Schiff an dem atlantischen Meere behelligte. Im Januar begegnete der „Deutschland“ auf dem Wege nach New-Jork einem furchtbaren Sturme, kehrte aber trotzdem sicher nach Bremen zurück, obgleich die Maschinerie erheblich außer Ordnung gerathen war. Der Dampfer hat seitdem nur eine Reise von Southampton gemacht und wurde mit einem halben Dutzend anderer Fahrzeuge der Linie gedockt.

Der Dampfer „Deutschland“, von Bremen mit Auswanderern nach New-Jork bestimmt, lief Montag Morgen um 5 Uhr bei Kentish-Knock während eines heftigen Nord-Ost-Sturmes auf den Strand. Die Luft war durch Schnee getrübt. Der Dampfer „Deutschland“ wurde derart gegen Kentish Knock geschleudert, daß er nunmehr in 4 ½ Faden Wasser nach niedrigem Wasserstande liegt. Der „Deutschland“ war ersichtlich in der Mitte auseinander gegangen, als Capt. Brickenstein denselben verließ. Das Schiff war mit Wasser angefüllt, welches mit der Ebbe stieg und fiel. Hülfe ist abgeschickt worden. Der Capitän und ein Theil der Mannschaft und Passagiere des „Deutschland“ wurden soeben in Harwich gelandet. Wie man annimmt, sind 50 der Passagiere und Mannschaft ertrunken. Zwei Schleppdampfer und ein Rettungs-Boot sind nach der Unglücksstelle abgegangen.

…wird berichtet, daß der Dampfer „Deutschland“ im Ganzen 123 Passagiere hatte, nämlich 2 in der ersten Cajüte, 24 in der zweiten Cajüte und 97 im Zwischendeck. Der Commandeur des britischen Kriegsschiffes „Penelope“ berichtet von Harwich an die Admiralität, daß 50 Personen ertrunken sind. Die Geretteten sind in Harwich gelandet, und befinden sich unter Obhut des deutschen Consuls.

Alle Versuche wurden gemacht, den Dampfer wieder flott zu bekommen; doch vergeblich. Die See brach über das Schiff und riß das Gangspill fort. Der Capitän hielt sich sehr wacker. Sofort nachdem das Schiff aufgelaufen war, ließ er Schwimmgürtel unter die Passagiere vertheilen. Am folgenden Morgen glaubte man, das Schiff werde in Stücke brechen und der Capitän ließ die Boote flott machen. August und zwei Matrosen wurden beordert, eines der Boote zu bemannen, dasselbe kenterte zwei Mal, und als es sich wieder aufrichtete und die Drei hinein gelangten, trieb es davon. Sie versuchten, zurückzukehren, es gelang ihnen aber nicht. Ein starker Schneesturm wehte und es war schneidend kalt. Seine beiden Kameraden starben in Folge der Strapazen und des Unwetters. August sagte, die Bemannung zähle 130 Personen.

Dezember 1875. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

Auswanderungswut

Dezember 10, 2018

Aus Thüringen wird unterm 14. April geschrieben: Die Auswanderung nimmt in allen Theilen unseres Landes auf eine unglaubliche Weise überhand und es dürften kaum Schiffe genug aufgebracht werden können, um alle die Europamüden an das seitige Gestade überzuschiffen. Es herrscht, so zu sagen, eine wahre Auswanderungswuth; Reich und Arm, Jung und Alt, Alles wälzt sich fort. Alte hochbetagte Leute, die vielleicht ihr Lebtag nicht an Auswanderung gedacht, suchen ihre sieben Sachen zu versilbern und wandern fort, indem man sie sagen hört: „Wir thun’s unsrer Kinder wegen.“

Dann ergreifen wieder solche den Wanderstab, die in wohlhabenden Verhältnissen sich befinden, die weder Kummer noch Sorge drückte, und fragt man bei ihnen nach dem Grund, dann heißt es: „Wir wollen uns fortmachen, ehe noch das Unglück über Deutschland hereinbricht.“ Kurz, im Hintergrunde der Seele eines jeden Auswanderers schlummert ahnungsvoll der Gedanke an ein verfallendes Deutschland.

Nicht von heute – aus dem Jahr 1850. (Schreibweise original)

Mißbrauch auf hoher See

Juli 15, 2018

Die Münchener „Neuesten Nachrichten“ schreiben: „Wir halten es für unsere Pflicht, eine auf die deutsche Auswanderung bezügliche Mittheilung zu veröffentlichen, auf die Gefahr hin, damit eine Fluth von Erklärungen und Gegenerklärungen heraufzubeschwören. Ein junger Handwerker von München, dessen Charakter uns von seinen nächsten Bekannten als durchaus ehrenwerth und zuverlässig geschildert wird, warnt in einem Schreiben aus New Jork vor der Auswanderung auf Segelschiffen, deren Capitäne nicht durch Charakter, Energie und Kenntnisse die nöthige Sicherheit bieten. Er hat die Reise auf einem solchen Schiffe (dessen Heimath und Namen zu nennen wir uns vorbehalten) mitgemacht und giebt eine schreckliche Schilderung von den mangelhaften Einrichtungen und Entbehrungen, unter denen die Passagiere zu leiden hatten.

Doch es kam noch etwas – so heißt es wörtlich in dem Briefe – das selbst die rohesten Passagiere empörte; es war die sittliche Verkommenheit der Schiffsmannschaft; jedes junge Mädchen fiel diesen rohen Menschen zum Opfer, selbst Frauen schonte man nicht; empörten sich ihre Männer, so drohte man, sie wie Hunde niederzustechen; scheute sich doch unser zweiter Steuermann nicht, drei junge 16jährige Mädchen derart zu mißbrauchen, daß sie krank wurden, und ähnlich handelte der Capitän. Es wäre schrecklich, wenn dergleichen sich unter den Augen der norddeutschen Bundesgewalt wirklich häufig ereignete. Die Angelegenheit verdient die eingehendste Berücksichtigung Seitens der deutschen Presse – mindestens mit demselben Rechte wie die Krakauer Klostergeschichte.

Aus dem Jahr 1869. (Schreibweise original)