Archive for the ‘Westpreußen’ Category

Die Flußnymphe und der lose Vogel

März 3, 2023

Thorn im August 1924. Eine Dame badete hier kürzlich an einer einsamen Uferstelle der Basarkampe. Wäsche und Kleider glaubte sie im Gebüsch sicher versteckt. Doch ein loser Vogel entführte die Wäsche, ließ aber, offenbar in einer Anwandlung von Mitleid, Mantel und Schuhe zurück.

So konnte die bestohlene Flußnymphe wenigstens notdürftig bekleidet ihr Heim aufsuchen.

(Schreibweise original)

50 Jahre Frauenverein in Briesen

August 15, 2022

Briesen, Westpreußen. Im Garten und in den Räumen des Casinos stand das 50jährige Jubiläum des hiesigen Deutschen Frauenvereins statt. Trotz des unsicheren Wetters waren aus Stadt und Land etwa 500 Gäste erschienen. Die erste Vorsitzende des Vereins, Frau Käthe Reimann, begrüßte die Anwesenden. In ihrer darauffolgenden Ansprache gedachte sie dankend der bisherigen Leiterinnen, die ihr ganzes Können dem Gedeihen des Vereins widmeten.

Besonders wurde die Arbeit der jetzigen Ehrenvorsitzenden, Frau Anna Bolt, als Vorbild hingestellt. Auch gedachte Frau Reimann des durch Krankheit am Erscheinen verhinderten ältesten Mitgliedes, Frau Marta Gonschorowski, die 50 Jahre für das Wohl des Frauenvereins tätig gewesen ist. Vieles und Schönes wurde zur Unterhaltung der Gäste geboten.

Es waren Schießstände, Glück an der Strippe und für die Kinder Luftschaukel und Karussell vorhanden. Eine erstklassige Kapelle sorgte für gute Tanzmusik.

August 1938. (Schreibweise original)

Schlechter kann es uns nirgends gehen! Teil I.

August 1, 2022

Aus verschiedenen Theilen Westpreußens werden Klagen über die in diesem Frühjahr erschreckende Dimensionen annehmende Auswanderung der ländlichen Arbeiterbevölkerung vernommen. Für Den, welcher die Lebensweise dieser Classe kennt, ist diese Erscheinung kein Räthsel: Täglich schwere Arbeit bis zur Erschöpfung bei einer elenden Beköstigung, meist nur aus Kartoffeln und einigen Hülsenfrüchten bestehend, keine Erholung, ein Leben ohne Empfindung, ein Vegetiren. „Schlechter kann es uns nirgends gehen; arbeiten wollen und können wir, und die Arbeit wird dort gut bezahlt!“, so argumentiren sie, und dagegen läßt sich allerdings nichts sagen.

In Schwetz fand am 2. und 3. April das Departements-Ersatz-Geschäft statt, und es wurde in Kenntnißnahme für den Staatsanwalt constatirt, daß etwa 1000 Militärpflichtige ausgewandert sind. Im Kreise Mewe rüsten sich etwa 700 junge Leute, anfangs Mai Deutschland zu verlassen. Im Kreise Conitz haben viele Ritter schon die Hälfte ihrer Arbeiter eingebüßt. Mehrere Besitzer versuchen die ihrigen durch Lohnerhöhung zurückzuhalten.

Die Leute stellen jedoch schon ganz andere Forderungen. Es waren die Arbeiterfamilien eines Rittergutes mit ihrer Herrschaft nicht zufrieden, weil sie ihnen außer der Erntefeier kein Vergnügen gewährte, da ihren Verwandten und Freunden in Amerika des Guten doch so viel umsonst geboten werde. Der Gutsherr hielt die Forderung für zeitgemäß, lieb mehrere Wagen vorfahren, packte sämmtliche Männer und Frauen, Knecht und Mägde auf dieselben, und fort ging es zum gewünschten Vergnügen und zwar in den Circus der Kunstreiter-Gesellschaft. Das Vergnügen hat ausnehmend gefallen.

Der Correspondent aus dem Kreise Mewe macht die Bemerkung, daß der letzte Krieg die Auswanderungslust genährt hat. Die Leute haben in den Garnisonsstädten und in Frankreich das Leben von einer anderen Seite kennen gelernt und wollen mit ihrem westpreußischen Loose durchaus nicht mehr zufrieden sein.

Fortsetzung folgt.

Aus dem Jahr 1873. (Schreibweise original)

Von einem Matrosen der Kreuzer-Korvette „Augusta“. Teil I.

Januar 12, 2022

Otto Ludwig Adolph Gebel, geboren im September 1866 in Westpreußen, diente in der 3. Compagnie (Kompanie) der I. Matrosen-Division in Kiel als Matrose. Er war Teil der Mannschaft der Kreuzer-Korvette „Augusta“, mit Heimathafen in Kiel. Seine Familie in der Heimat hat vermutlich länger nichts von ihm gehört, respektive brieflich gelesen.

Die „Augusta“ war zu seiner Zeit bereits veraltet und diente nur als Truppentransporter, um Ersatzmannschaften auf ausländische Stützpunkte zu transportieren. Ende April 1885 verließ sie Deutschland mit über 230 Personen an Bord und brach nach Australien auf – sie passierte den Suez-Kanal und ergänzte ihre Kohlenvorräte auf der Insel Perim. Am 02.06.1885 nahm die „Augusta“ wieder volle Fahrt auf – niemand ahnte wohl auf dem Kreuzer, daß dies der letzte Kontakt – das letzte Lebenszeichen sein sollte. Wer hätte es auch gewagt, solche endgültigen, schrecklichen Gedanken zu hegen?

Kreuzer-Korvette „Augusta“

Die Kreuzer-Korvette „Augusta“ sollte ihr Ziel nie erreichen. Nach Aufnahme der Kohlen verschwand sie für alle Zeiten. Eine spätere Untersuchung mutmaßte, daß die „Augusta“ im Juni 1885 in einen Zyklon geriet, um ihre letzte Ruhe auf dem Grund des Meeres zu finden.

Und so erreichte irgendwann jene Familie die folgende Nachricht: „Nach amtlicher Erklärung des Chefs der Admiralität vom 1. Oktober 1885 ist keine Hoffnung vorhanden, daß Seiner Majestät Kreuzer Korvette Augusta noch schwimmt und die Besatzung noch am Leben ist. Der Gebel befand sich seit dem 13. April 1885 an Bord der Augusta. Datum und Ort des Sterbefalles nicht bekannt.

Die Zeitungen verkündeten: „Im Beisein des Prinzen Heinrich, sämmtlicher Admirale und des Offizierskorps fand in der Marinegarnison-Kirche ein Trauergottesdienst aus Anlaß des Untergangs der Kreuzer-Korvette „Augusta“ statt. Für die Hinterbliebenen der mit der Korvette „Augusta“ untergegangenen Besatzung sind in Deutschland bei dem Komitee bis zum 28. d. Monats (Dezember 1885) im Ganzen 157,463,46 Mark eingegangen. Über die Vertheilung der Gaben wird das Gesammt-Komite in nächster Zeit Beschluß fassen.“ November/Dezember 1885. (Schreibweise original)

So ließ also der junge Matrose mit nur 19 Jahren sein Leben und fand sein ewiges Seemannsgrab auf dem Meeresboden; in der finsteren Tiefe. Seine Familie hat den schmerzlichen Verlust vermutlich nie verwunden. In Gedenken an Otto Gebel und seine Kameraden.

Weitere Details folgen in der Fortsetzung.

Weshalb sollen wir zurückbleiben?

Januar 7, 2022

Aus Schwetz in Westpreußen schreibt man – Fast täglich passiren die Bahnhöfe zu Prust, Terespol und Laskowitz Auswanderer, an Sonntagen fast nie unter 30 Personen auf jedem dieser Bahnhöfe. Nach dem Grunde ihrer Auswanderung gefragt, geben die Leute immer wieder die stereotype Antwort: „Schlechter, wie hier kann es uns dort nicht ergehen. Die drüben sind, schreiben doch, daß es ihnen besser ergehe, wie hier. Weshalb sollen wir also zurückbleiben?“

Die polizeiliche Kontrolle bei den Auswanderungsagenten ist eine sehr scharfe geworden.

Im Jahr 1881.
(Schreibweise original)

Ein gewaltiger Strom. Hochwasser in Schwetz. 1880.

Dezember 6, 2021

Zwischen Schwetz und Kulm war Mitte März eine einzige Wasserfläche und die Weichsel bildete mit dem Schwarzwasser einen gewaltigen Strom von fast einer Meile Breite. Die auf das Bollwerk gebrachte Schwarzwasserbrücke ist von den herandrängenden Eismassen gesprengt worden und hat nur noch mit großer Mühe abgeschwenkt und in Sicherheit gebracht werden können.

In der katholischen Kirche zu Schwetz stand das Wasser 4 Fuß hoch, der Verkehr in der Altstadt geschah auf Kähnen. Das Hochwasser hat, seit die Altstadt zum großen Theile abgebrochen ist, an Interesse verloren, da es jetzt nicht mehr Hab und Gut bedroht, Handel und Gewerbe unterbricht und zahlreichen Familien Noth und Elend bereitet.

Noch vielleicht ein Jahr, und außer den beiden Kirchen dürfte jede menschliche Wohnung verschwunden sein.

Im Jahr 1880.
(Schreibweise original)

Ein gewaltiger Strom. Hochwasser in Schwetz. 1879.

Dezember 1, 2021

Aus Schwetz in Westpreußen wird Folgendes berichtet: „Von den verheerenden Überschwemmungen der Weichsel ist unser Altstadt am schwersten heimgesucht. Vor mehr als 300 Jahren am Ausflusse des Schwarzwassers in die Weichsel zwischen diesen Flüssen unter der Schutze der ehemaligen Ordensburg erbaut, hat sie fast alljährlich durch Überschwemmungsgefahren zu leiden.

Die wohlhabenden Bewohner haben deshalb die Wohnstätten ihrer Väter verlassen, ihre Häuser abgebrochen und sind nach der höher belegenen Neustadt übergesiedelt; den ärmeren Hausbesitzern ist dies trotz der von dem Staate bewilligten Überbauungsprämie aber nicht möglich, und so stehen denn jetzt seit dem 18. Februar des Jahres außer 135 Häusern, bewohnt von 1769 Seelen, die hauptsächlich dem ärmeren Handwerker- und Arbeitsstande angehören, auch die beiden Kirchen und die Synagoge unter Wasser.

Die Stadt bietet ein Bild des Grauens und der Verwüstung, wenn man die Häuser bis an das Dach von den Fluthen umspült und theilweise von Eisschollen umgeben, hier Wände und Schornsteine eingestürzt, dort ein Haus dem Einsturz nahe, und dann auf den Hausböden durch die in das Dach gemachten Öffnungen jene Unglücklichen frierend und hungernd, den Einwirkungen der Elemente Preis gegeben, hervorlugen sieht, Angst und Verzweiflung oder Resignation in ihren Zügen.

Sehr viele haben, da das Wasser auch die Hausböden erreichte, ihre Wohnungen unter Zurücklassung ihrer Habe ganz verlassen müssen, um ihr nacktes Leben zu retten. Nahe an 600 Menschen obdachlos, welche in der Neustadt größtentheils in den Räumen des Kreishauses und der Schule Unterkommen gefunden haben“.

Im Jahr 1879.
(Schreibweise original)

Ein gewaltiger Strom. Hochwasser in Schwetz. 1871.

November 27, 2021

Aus Schwetz am Einfluß des Schwarzwasser in die Weichsel schreibt man am 2. März: „Ein trauriges Bild bietet Schwetz dar. Seit gestern ist die ganze alte Stadt überschwemmt. In den tiefer gelegenen Straßen ragen nur die Dächer der Häuser aus dem Wasser empor. Eisschollen von bedeutender Stärke treiben in den Straßen und erschweren die Passage der Kähne.

Lebensmittel werden in Körben durch die Fenster hinaufgezogen. Die einstöckigen Häuser sind zum Theil von den Bewohnern verlassen, da selbst ein Verweilen in den Bodenräumen durch das Einstürzen der Schornsteine gefährlich wird. Das Elend unter der armen Bevölkerung ist groß“.

Im Jahr 1871.
(Schreibweise original)

Rosiges Westpreußen?

November 5, 2021

Die Zustände in Westpreußen sind nichts weniger als rosig, schreibt ein radicales Blatt aus Marienwerder. Das Kreisgericht Schwetz verfolgt 22, Kreisgericht Straßburg 196, Kreisgericht Thorn 226 Heerespflichtige, welche durch unerlaubtes Verlassen des Bundesgebietes sich dem Eintritt in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte entzogen haben.

Ein Seitenstück hierzu ist: daß nach der letzten Volkszählung sich vermindert hat die Bevölkerung von Marienwerder von 7472 im Jahre 1867 auf 7285 Seelen, Mewe von 4349 auf 4130. Sterblichkeit und Auswanderung waren sehr stark, namentlich nimmt Letztere immer größeren Umfang an.

Trotz der Maßregeln, welche die deutsche Bundesregierung gegen die Auswanderung ergriffen, nimmt die Letztere in Deutschland und besonders in Preußen fortwährend zu. Seit mehreren Tagen sind unsere Straßen wieder von Auswandererzügen aus Westpreußen belebt, denen, nach Aussage dieser Leute, im Frühjahr noch größere Schaaren folgen werden.

Aus dem Jahr 1872.
(Schreibweise original)

Eine Unterlassungssünde mit endgültigen Konsequenzen

Oktober 25, 2021

In Berlin ist die 28jährige Frau des Schneidermeisters Busch, Kochstr. 20, an der Trichinosis gestorben und ihr Mann liegt schwer erkrankt darnieder, trotz der kostspieligen und mühevollen Fleischschau, die mit so viel Sorgfalt und Strenge in Berlin durchgeführt wird. Allerdings war das Fleisch von auswärts eingeschleppt. Der bei Kulmsee wohnende kleine Besitzer Wilhelm Zink hatte zwei Schweine schlachten, das Fleisch aber nicht untersuchen lassen.

Eine Schwester Zinks ist nach dem Genusse des Fleisches gestorben, ebenso sein in Stargard beim Leib-Husaren-Regiment stehender Sohn, dem er von dem Fleisch gesandt hatte. Acht Kameraden dieses Soldaten, die gleichfalls von dem Fleisch gegessen hatten, sind schwer erkrankt, ebenso zahlreiche andere Verwandte. Zink hatte auch an seinen Bruder nach Berlin von diesem Fleische gesandt; dieser Bruder wohnt bei den Eheleuten Busch – so kam es, daß auch diese von dem trichinösen Fleische aßen.

Die dort zum Besuch anwesende Martha Janke ist gleichfalls nach dem Genusse des Fleisches, respektive der daraus hergestellten Wurst erkrankt und hat lange in der Charitee gelegen, bis sie als geheilt in ihre Heimath, nach Thorn, entlassen werden konnte.

Anmerkung. Bertha Louise Hauser, verehelichte Busch verstarb mit nur 28 Jahren am 20.01.1888 in Berlin. Der oben erwähnte Bruder – Jakob Eduard Zink – meldete auch ihren Tod; er selbst überlebte den “Fleischgenuß” und verstarb 11 Jahre später mit 41 Jahren.

Aus dem Jahr 1888.
(Schreibweise original)

Namen für den Galgen? Akt II.

September 11, 2021

Der Mousquetier Karl Schönau des Ersten Infanterie-Regimentes (Westpreußisches), welcher 21 Jahr alt, aus der Stadt Culmsee in Westpreußen gebürtig, und den 31. August 1819 aus hiesiger Garnison entwichen ist, wird hiermit vorgeladen, sich in einem der auf den 14ten und den 28ten November, zuletzt aber auf den 2ten Dezember jedesmal Vormittags um 10 Uhr hier anberaumten Termin in dem Geschäfts-Lokale des unterzeichneten Divisions-Gerichts persönlich einzufinden und sich über seine Entfernung zu verantworten, widrigenfalls nach Vorschrift des Edikts vom 17ten November 1764 wider ihn in contumaciam dahin erkannt werden wird, daß er des beschuldigten Desertions-Verbrechens für überführt, und geständig zu erklären, sein Name an den Galgen zu heften, und sein sämmtliches sowohl gegenwärtiges als zukünftiges Vermögen konfiszirt und der betreffenden Westpreuß. Regierungs-Hauptkasse zugesprochen werden soll.

Zugleich werden alle diejenigen, welche Gelder oder andere Sachen des vorbenannten Deserteurs in ihrem Gewahrsam haben, hiermit aufgefordert, davon sofort bei Verlust ihres Pfandrechts Anzeige zu machen, insbesondere aber dem Entwichenen bei Strafe der doppelten Erstattung unter keinerlei Vorwand davon etwas zu verabfolgen.

Königsberg, den 24. Oktober 1821.
Königl. Preußisches Divisions-Gericht.
(Schreibweise original)

Zur allgemeinen Warnung!

August 28, 2021

Der Dienstknecht Joseph Wolucki, 22 Jahr alt, aus Grabowice, Lubliner Departements gebürtig, ist wegen des von ihm an seiner Brodfrau der Wittwe Anna Paluchowska in der Nacht vom 20ten auf den 21ten November vorigen Jahres verübten Raubmordes und wegen vorsätzlicher lebensgefährlicher Verletzung der Barbara Paluchowska durch die mittelst Allerhöchsten Kabinets-Ordre vom 18ten September bestätigten beiden Erkenntnisse des Kriminal- und II. Senats des Königl. Ober-Landes-Gerichts von Westpreußen verurtheilt, zum Richtplatze geschleift und daselbst mit dem Rade von unten vom Leben zum Tode gebracht zu werden, und diese Strafe auch am 5ten des Monats an den Deliquenten vollstreckt worden, welches hiermit zur allgemeinen Warnung bekannt gemacht wird.

Marienwerder, den 19. November 1821.

Kriminal-Senat des Königl. Preuß. Ober-Landes-Gerichts
von Westpreußen.
(Schreibweise original)

Namen für den Galgen? Akt I.

August 14, 2021

Die Militair-Sträflinge:

1. Mathäus Ostremba oder Otremba, (Amt Brattian), Musketier beim ehemaligen Garnison-Bataillon Nr. 2, welcher bereits am 27. Mai 1820 von hier sich entfernt hat,

2. Michael Pettke von Neustadt in Westpreußen, Musketier bei der 2. Divisions-Garnison-Kompagnie, der sich am 20. Juni 1820 von der Arbeit entfernt hat,

3. Jakob Bielsky, (Amt Brattian), Musketier bei der 2. Divisions-Garnison-Kompagnie, und am 17. Juli 1820 aus dem hiesigen Lazareth entwichen ist,

4. Paul Kabatzki, gebürtig aus Grutta, Amt Roggenhausen, vom ehemaligen Garnison-Bataillon Nr. 3, welcher am 12. August von der Arbeit hierselbst entwichen ist, endlich

5. der zur Garde bestimmte Kantonist Simon Wisocki aus Wiecki Krug im Weichsel-Gebiet gebürtig, welcher am 12. Oktober 1820 aus dem hiesigen Ordonanzhause entflohen ist;

werden hiermit vorgeladen, sich in einem der auf den 1ten Februar, den 15ten Februar, zuletzt aber auf den 1ten März jedesmal Vormittags 10 Uhr anberaumten Termine in der Wohnung des unterzeichneten Auditeurs persönlich einzufinden, und sich über ihre Entfernung zu verantworten, widrigenfalls nach Vorschrifte vom 17. November 1764 wider sie in contumaciam erkannt werden wird, daß sie für Deserteurs zu erachten und ihr Name an den Galgen zu heften, ihr sämmtliches sowohl gegenwärtiges als zukünftiges Vermögen aber confiscirt und der betreffenden Regierungs-Hauptkasse zu Marienwerder zugesprochen werden wird.

Königl. Preußisches Kommandantur Gericht.
Hindenburg, General.
Bormann, Garnison-Auditeur.

Thorn im Januar 1821. (Schreibweise original)

Unwetter über Westpreußen. Akt II.

Juni 30, 2021

Die Nachrichten aus den Provinzen lauten in Bezug auf die Ueberschwemmungen täglich schlimmer. Nicht nur Schlesien, sondern auch Ost- und Westpreußen haben schrecklich gelitten. Die Ernte ist total ruinirt und die Lage ist so bedenklich, daß sogar die Divisions-Manöver in diesem Jahre nicht stattfinden werden. In einigen Gegenden hat es seit drei Wochen ununterbrochen geregnet.

Man kann von den Ernten in einigen Districten dieser Provinzen sagen, daß sie total zerstört wurden. Menschenleben sind zu Grunde gegangen und Flußdeiche weggeschwemmt, Brücken zerstört und Dörfer überschwemmt worden, Landgüter wurden unter Wasser gesetzt und ungeheure Strecken Getreidefelder durch die Regengüsse in Seen und Sümpfe umgewandelt. Man befürchtet eine große Hungersnoth in allen obengenannten Provinzen.

Ein Correspondent, der bis an die äußersten Grenzen von Schlesien kam, berechnet, daß in einem Kartoffeldistrict allein ein Schaden von 150,000 Mark angerichtet wurde, während 2000 Morgen Acker- und Weideland durch das Überfließen der Oder unter Wasser gesetzt wurde. In der Gegend von Oppeln sind 3000 Morgen Kartoffelfelder mit Wasser bedeckt. Ganze Gruppen von Dörfern sind isolirt.

Der Regen war so heftig, daß innerhalb einiger Stunden mancher Fluß um sechs Fuß stieg. In Posen wurde eine ungeheure Fläche Wiesenland überschwemmt. Auf den Ackerfeldern wurde nicht nur das Getreide, sondern auch das Stroh verdorben. Man befürchtet, daß an einigen Plätzen die Feuchtigkeit des Bodens die Bearbeitung desselben für die nächste Saat in verhängnisvoller Weise verzögern oder ganz und gar verhindern werde. Im District von Kulm, Westpreußen, vernichtete ein 24stündiger Regen die Ernte, besonders den Weizen. In einigen Gegend von Ost- und Westpreußen sind die Felder so unpassirbar, daß es unmöglich ist, die Ueberreste der Getreideernte einzuheimsen. Die Kartoffeln fangen an zu verfaulen.

Es geht hieraus hervor, daß die amtliche Schätzung der deutschen Ernteaussichten, welche neulich veröffentlicht wurde, bedeutend heruntergesetzt werden muß. Der Roggen ist beinahe ganz zerstört. Weizen und Gerste behalten nur noch einen sehr geringen Marktwerth. Für die arbeitende Klasse ist das Zerstören der Kartoffelernte höchst verhängnisvoll und die Regierung wird bereits ernstlich um Hülfe anrufen.

August 1880. (Schreibweise original)

Der Vaterländische Frauenverein in Culmsee

Juni 18, 2021

Culmsee. Der Vaterländische Frauenverein hielt am Montag seine Hauptversammlung ab. Nach dem Verwaltungsberichte schloß der Verein das Jahr 1911 mit 178 ordentlichen und 6 außerordentlichen Mitgliedern ab. Die Gesamteinnahme betrug einschließlich des Bestandes vom Vorjahre 15955,37 Mark, die Gesamtausgabe 12713,20 Mark. Außerdem besitzt der Verein noch ein Vermögen von 38142,08 Mark teils in Liegenschaften, teils auf der Sparkasse.

Die Unterhaltung des Siechenhauses erforderte 9549,56 Mark. Zur Vermehrung der Vereinsmittel hielt der Verein am 3. Dezember ein Wohltätigkeitsfest ab, das einen Reingewinn von 1629,13 Mark einbrachte. Bei der Weihnachtsbescherung wurde 80 Familien beschert.

In den Vorstand wurden gewählt: Frau Bürgermeister Hartwich (Vorsitzerin), Frau Amtsrat Hoeltzel (Stellvertreterin), Herr Bürgermeister Hartwich (Schriftführer), Herr Rechtsanwalt Peters (Kassenführer).

Im Januar 1912. (Schreibweise original)

Eine „Rabenmutter“

Juni 4, 2021

Aus der Tucheler Heide. Zur Rabenmutter geworden, ist die noch im jugendlichen Alter stehende Landarbeiterin Natalie Bredlau in Sehlen. Bredlau, welche unverehelicht war, hatte unbemerkt geboren und ihr Kind bald darauf beseitigt. Die angestellten Nachforschungen förderten dasselbe erfroren in einem Strohschober des Ansiedlers J. zutage.

Die Kindsmörderin, welche geständig ist, wurde verhaftet und dem Gerichtsgefängnis in Tuchel zugeführt.

Im Januar 1912. (Schreibweise original)

Die Cholera auf dem Vormarsch

April 18, 2021

Aus Thorn in Westpreußen meldet man vom 7. Juli: Die Cholera schreitet hier immer noch vor, wenn auch in der innern Stadt bis jetzt sehr unbedeutend. Im städtischen Lazarethe haben bis gestern fünfzig Kranke Aufnahme gefunden, von denen ungefähr zwei Drittel gestorben sind. Außerdem ist aber auch nicht ganz kleine Zahl Leichen auf polizeiliche Veranlassung direct von den Flößen aus beerdigt worden.

Sachsen hat von der Epidemie ebenfalls zu leiden; so schreibt man aus Dresden: Die Cholera gewinnt in der Umgebung Dresdens an Verbreitung. Die Dörfer Gorlitz, Wölfnitz, Pesterwitz, Löbtau u.a. stellen dem unheimlichen Gaste ein nicht unbeträchtliches Contingent an Opfern: und nicht weniger als 50 Prozent der Cholerafälle verlaufen mit tödtlichem Ausgang.

Aus dem Jahr 1873. (Schreibweise original)

Niedergang einer Institution in Deutsch Eylau

November 13, 2020

Dt. Eylau. Wie sehr der Geschäftsverkehr in unserer schönen See- und Handelsstadt im Sinken begriffen ist, davon gab der hier abgehaltene Pferde- und Viehmarkt ein sprechendes Zeugniß.

Einen so traurigen Markt hat Dt. Eylau noch nie erlebt. Nur etwa 50 Pferde der allergeringsten Qualität waren am Platze, mehrere derselben wurden vom Kreisthierarzt beschlagnahmt.

Im Dezember 1887. (Schreibweise original).

Eine Ohnmacht mit tödlichen Folgen in Graudenz

März 15, 2020

In der evangelischen Pfarrkirche zu Graudenz wurde auf der Empore eine Frau ohnmächtig und drückte im Umsinken einen offenen Fensterflügel aus den Haspen, so daß derselbe klirrend zu Boden fiel. Alsbald ertönte der Schrei: „Die Kirche fällt ein!“. Tausendstimmig wiederholt, setzte er Alles in wilden Schrecken. In wilder Flucht stürzte die Menge den Thüren zu, von den Emporen und Chören sprangen in entsetzlicher Hast Männer und Kinder in das Kirchenschiff: Stühle, Kirchenbänke, Treppengeländer brachen von der Wucht der Fliehenden krachend und knisternd zusammen; dazwischen rasselten die eingeschlagenen Fenster und schrecklich gellten die Rufe nach Kindern, Eltern, nach Mann oder Frau.

Auf das Geschrei der Fliehenden war bald die halbe Bewohnerschaft auf dem Markte versammelt, mit Leitern und Stricken, Tragkörben und anderen Rettungswerkzeugen. Endlich war die Kirche geräumt. Ohnmächtige, Zerdrückte und Erstickte wurden herausgetragen; fast jedes Haus am Markte barg einen oder mehrere dieser Unglücklichen.

Elf Personen sind todt, darunter drei Landwehrmänner. Arm- und Beinbrüche, Quetschungen, Contusionen kann man nach Hunderten zählen. Nachdem die Kirche geräumt war, fand es sich, daß auch nicht ein Balken zerbrochen war.

Jene Panik vollzog sich im Jahr 1866. (Schreibweise original).

Rondsen

Februar 21, 2020

Rondsen. Eine sehr kleine Örtlichkeit nahe Graudenz, in Westpreußen, die bereits 1232 erwähnt wurde. Ungefähr 200 Jahre später existierte dort ein bedeutender Wirtschaftshof, der nach der Schlacht bei Tannenberg im Jahr 1410 beträchtlichen Schaden erlitt. Ein besonderes Augenmerk galt auch den Bienen, denn für das Jahr 1434 wurden 36 Bienenstöcke und 32 „besondere“ Bienenbeuten registriert – indessen waren zu der Zeit 53 Stöcke unbenutzt.

Im Jahr 1665 wollte der damalige Pächter das von den Schweden verwüstete Vorwerk Rondsen wieder aufbauen und auch das Land neu „besäen“. Genau 100 Jahre danach lebten in Rondsen fünf Instleute. Im März 1739 erhielten Christian und Anna Blumberg die Rechte an Rondsen; 1778 wurde es öffentlich aufgeboten, im Anschluß erhielten es die bisherigen Besitzer zu „erblichem Besitze“, mit dem Rechte Bier- und Branntwein zu brauen. Als Konsequenz wurde ein gebührlicher Erbzins festgelegt, zudem sollten in den nächsten drei Jahren drei inländische Familien angesiedelt werden, die jeweils drei Morgen Acker erhielten.

Die oben genannten Rechte bilden mutmaßlich die Grundlage der Brauerei Rondsen, die weithin bekannt und geachtet war. Im 19. Jahrhundert erlebte die Brauerei ihre Blütezeit; heute existiert sie nicht mehr und nur vereinzelte Reste erinnern an die einstige Fokussierung auf den ehemals beliebten Gerstensaft. Wer über Hintergrundwissen im Kontext der Brauerei und ihre Mitarbeiter verfügt oder Bilder besitzt oder sonstige sachdienliche Hinweis geben kann – jede Erkenntnis ist hier gern gesehen.