Das Unglück der Deutschland. Teil I. Erste Nachrichten.

Der Dampfsegler “Deutschland“ erlitt am 06.12.1875 vor der englischen Küste Schiffbruch. In mehreren Berichten werden die Details und Hintergründe thematisiert.

Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Die folgenden Nachrichten darüber bringt das Kabel:

…wird berichtet, daß in jener Gegend ein Boot, von dem Bremer Dampfer „Deutschland“, welcher am 4. Dezbr. von Bremerhaven nach New-Jork abfuhr, gelandet ist, in welchem sich ein Matrose und die Leichen zweier Anderen befanden. Der Mann berichtet, daß der Dampfer irgendwo in der Nordsee aufgelaufen sei. Die beiden Männer in dem Boote starben infolge langer Strapazen, Bloßstellungen und Entbehrungen. Sie waren nahezu 38 Stunden in dem offenen Boote auf dem Wasser.

…wird berichtet, daß der Mann, welcher in dem offenen Boote eintraf, der Proviantmeister des Dampfers „Deutschland“ war und August heißt. Einer von den beiden Männern, welche unterwegs umkamen, heißt Fürstenstem; der Name des Anderen ist unbekannt. August berichtet, daß der Dampfer auf einer Sandbank in der Nordsee auflief. Ehe August mit seinen Gefährten abfuhr, wurde bereits ein anderes Boot abgesandt, dessen Schicksal bis jetzt unbekannt ist. Das Schicksal des Dampfers „Deutschland“ ist gleichfalls unbekannt. August glaubt, daß der Dampfer mit allen an Bord befindlichen 150 Personen verloren ist.

Die Firma kennt weder den Name des Capitäns, noch der Offiziere oder der Bemannung des Dampfers, da das ganze Personal neu ist. Der Dampfer lag seit letztem Februar in Bremerhaven auf dem Dock. Die Agenten glauben, daß wahrscheinlich nur sehr wenige Passagiere an Bord waren. Die Einwanderung ist zu dieser Jahreszeit sehr unbedeutend. Die Agenten haben um nähere Auskunft nach Bremen telegraphirt.

Der Dampfer „Deutschland“ war eines der besten Fahrzeuge der Flotte des Norddeutschen Lloyd. Das Fahrzeug wurde vor ungefähr 10 Jahren in Greenock, Schottland, gebaut und bestand das schlimmste Wetter, das jemals ein Schiff an dem atlantischen Meere behelligte. Im Januar begegnete der „Deutschland“ auf dem Wege nach New-Jork einem furchtbaren Sturme, kehrte aber trotzdem sicher nach Bremen zurück, obgleich die Maschinerie erheblich außer Ordnung gerathen war. Der Dampfer hat seitdem nur eine Reise von Southampton gemacht und wurde mit einem halben Dutzend anderer Fahrzeuge der Linie gedockt.

Der Dampfer „Deutschland“, von Bremen mit Auswanderern nach New-Jork bestimmt, lief Montag Morgen um 5 Uhr bei Kentish-Knock während eines heftigen Nord-Ost-Sturmes auf den Strand. Die Luft war durch Schnee getrübt. Der Dampfer „Deutschland“ wurde derart gegen Kentish Knock geschleudert, daß er nunmehr in 4 ½ Faden Wasser nach niedrigem Wasserstande liegt. Der „Deutschland“ war ersichtlich in der Mitte auseinander gegangen, als Capt. Brickenstein denselben verließ. Das Schiff war mit Wasser angefüllt, welches mit der Ebbe stieg und fiel. Hülfe ist abgeschickt worden. Der Capitän und ein Theil der Mannschaft und Passagiere des „Deutschland“ wurden soeben in Harwich gelandet. Wie man annimmt, sind 50 der Passagiere und Mannschaft ertrunken. Zwei Schleppdampfer und ein Rettungs-Boot sind nach der Unglücksstelle abgegangen.

…wird berichtet, daß der Dampfer „Deutschland“ im Ganzen 123 Passagiere hatte, nämlich 2 in der ersten Cajüte, 24 in der zweiten Cajüte und 97 im Zwischendeck. Der Commandeur des britischen Kriegsschiffes „Penelope“ berichtet von Harwich an die Admiralität, daß 50 Personen ertrunken sind. Die Geretteten sind in Harwich gelandet, und befinden sich unter Obhut des deutschen Consuls.

Alle Versuche wurden gemacht, den Dampfer wieder flott zu bekommen; doch vergeblich. Die See brach über das Schiff und riß das Gangspill fort. Der Capitän hielt sich sehr wacker. Sofort nachdem das Schiff aufgelaufen war, ließ er Schwimmgürtel unter die Passagiere vertheilen. Am folgenden Morgen glaubte man, das Schiff werde in Stücke brechen und der Capitän ließ die Boote flott machen. August und zwei Matrosen wurden beordert, eines der Boote zu bemannen, dasselbe kenterte zwei Mal, und als es sich wieder aufrichtete und die Drei hinein gelangten, trieb es davon. Sie versuchten, zurückzukehren, es gelang ihnen aber nicht. Ein starker Schneesturm wehte und es war schneidend kalt. Seine beiden Kameraden starben in Folge der Strapazen und des Unwetters. August sagte, die Bemannung zähle 130 Personen.

Dezember 1875. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.

Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.

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