Von der letzten Woche ist ein Seeunglück zu berichten. Am 4. Dez. verließ der schöne große Dampfer „Deutschland“ Bremerhaven um eine Anzahl Auswanderer nach unserm Lande zu bringen, doch schon ehe das Schiff den Canal passirt und in den atlantischen Ocean gekommen war, geschah das Unglück: der Dampfer strandete in der Nordsee. Fortsetzung.
Berlin. Hotel du Nord, 10. Febr. 1876.
Herrn Capt, E. Brickenstein, Bremen. Der Inhalt Ihres werthen gestrigen Schreibens hat meine volle Aufmerksamkeit gefunden und ich habe geglaubt, Ihren Wünschen am Besten entsprechen zu können, indem ich Ihren Brief im Original dem Fürsten Bismarck übersandte unter Anheimstellung der Erfüllung Ihrer Wünsche. Sie müssen nun abwarten, was darnach kommt; ich gebe Ihnen Nachricht, sobald ich Antwort habe.
Prima vista glaube ich nicht, daß es möglich sein wird, noch nachträglich ein deutsches Seegericht zu berufen. Ich wünsche Ihnen aber sehr, daß der Fürst Reichskanzler Sie persönlich empfangen möge, und habe das Letztere auch, soweit es an mir ist, gefördert. Ich erwarte nämlich von solcher persönlichen Unterhaltung des Fürsten mit Ihnen das Beste für Sie, über Ihr persönliche Interesse hinaus aber auch eine neue Anregung und Hinlenkung der Aufmerksamkeit Fürst Bismarck´s auf unsere Schifffahrts-Angelegenheiten überhaupt; denn leider scheint es mir, als wenn diese im Reichskanzleramte nicht die gebührende Beachtung finden, vielmehr stiefmütterlich behandelt werden.
Man glaubt, genug zu thun, wenn man den Engländern Einiges an Gesetzen nachmacht, denn Das ist recht bequem, und die Bewunderung englischer Einrichtungen ist am Ende auch der Grund, weshalb man, statt bei uns mit der Einrichtung von Seegerichten vorzugehen, den Engländern über ihre Seegrenze hinaus in einer der Geschichte der Völker unerhörten Weise das Recht eingeräumt hat, deutsche Schiffsmannschaften vor ihr Gerichtsforum zu ziehen.
In zwei Punkten sind Sie übrigens irrig: 1. ist es unrichtig, wenn Sie sagen, daß Sie sich dem englischen Seegerichte stellen mußten, denn das ist Ihr freier Wille gewesen. Sie haben sich pflichtmäßig den Wünschen unserer Regierung gefügt, waren aber nicht dazu gezwungen! Niemals würde m. E. ein Brite sich dentschen Gerichten zur ßeurtheilung in einer Sache nach Sprache und Gesetzen, die er nicht versteht, gestellt haben, niemals würde auch ein britischer Gesandter Das zugegeben haben; 2. sind Sie nicht verurtheilt, sondern beurtheilt. Das gerichtliche Straferkenntniß ist nicht ausgesprochen, das Gericht hatte nicht dazu das Recht; es ist eigentlich nur über Sie und Ihre Ausführung vor und nach dem Strandungsfalle berichtet.
Freilich ist der Bericht des Board of Trade so absprechend, daß die Folgen für Sie dieselben sein müssen, wie die einer Aburtheilung. Ich beklage Das tief, glaube auch wohl, daß der Bericht in diese Hinsicht arbiträr urtheilt, und bin auch gern bereit, zu thun, was ich kann, um eine diesseitige Revision und Ihre weitere Untersuchung des Strandungsfalles zu veranlassen. Einstweilen müssen wir abwarten, was der Reichskanzler auf meine Mittheilung beschließt; daß er „persönlich“ die Wichtigkeit der Interessen, welche hier in Frage stehen vollkommen erkennt und den besten Willen hat, Ihnen und jeden, Deutschen gerecht zu werden, und unsere nationalen Interessen zu schützen und zu pflegen, Das hat er uns mehr als einmal bewiesen!
Hoffend, Ihnen bald weitere Nachricht geben zu können, begrüße ich Sie. Ihr aufrichtig ergebener A. G. Mosle.
Februar 1876. (Schreibweise original).
Fortsetzung folgt.
Das Unglück der Deutschland.
Teil I. Erste Nachrichten.
Teil II. Details. (Namensliste)
Teil III. Noch mehr Gerettete. (Namensliste)
Teil IV. Die Untersuchung & eine Romanze.
Teil V. Der Bericht des Kapitäns.
Teil VI. Schriftverkehr. I. Gekränkte Ehre.
Teil VII. Schriftverkehr. II. Die Antwort des Abgeordneten.
Teil VIII. Schriftverkehr. III. Die Antwort von Reichskanzler Bismarck.
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