Ernst Waetzmann veröffentlichte „26 Tuchmacherfamilien in Bojanowo“, wo er die Schicksale einer Tuchmacherstadt in ihrem Niederschlage im Wohl und Wehe ihrer Bürger schilderte. Er behandelt die Zeit von 1670 bis etwa 1820, manchmal etwas weiter, doch liegt der Nachdruck auf dem 18. Jahrhundert. Wir wollen im folgenden die Dynamik der örtlichen Bevölkerungsbewegung betrachten – aber weniger gelehrt als Ein- und Auswanderung benannt.
1. Südposen. Die wichtigsten Orte für die Einwanderung sind hier Lissa (15 Einwanderer), Rawitsch (13), Fraustadt (10). Dies sind die Orte, aus denen sich die jungen Bojanowoer ihre Frauen holen, von hier kommen die Gesellen, denen es gelingt, in Bojanowo eine Meisterstochter zu freien und sich dann dort niederlassen. Daneben erscheinen noch Punitz und Storchnest je 3 mal, Schlichtingsheim, Zduny, Schwetzkau, Reisen, Schmiegel, Kobylin je 2 mal, Kröben, Görchen, Gostyn, Oberpritschen, Brätz, Unruhstadt, Tirschtiegel je 1 mal. Dieselben Orte erscheinen auch für die Auswanderung. Fast alle diese Orte waren Tuchmacherstädte und hatten somit ein kräftiges Deutschtum.

2. Aber stärker noch als mit Südposen waren die Beziehungen mit Schlesien. Zwar ist uns der erste Einwandererschub (1638) nur sehr lückenhaft bekannt, da die Kirchenbücher erst 1670 beginnen, aber es erfolgten viele Nachwanderungen im 17./18. Jahrhundert. An der Spitze steht hier Tschirnau, manchmal auch als Ober- oder Groß-Tschirnau bezeichnet. Es stellt 13 Einwanderer. Dann folgte Raudten mit 3, Görlitz, Winzig, Guhrau, Herrnstadt, Schlaube, Schlawa, Breslau, Freistadt, Festenberg mit je 2. Je einer oder eine kommt aus Grünberg, Grotke bei Öls, Herrenlauerwitz, Lauban, Klein Mortschen, Freiburg, Wassermühle bei Sagan. Betrachten wir die Auswanderung nach Schlesien. Auch hier steht Tschirnau an der Spitze mit 6 Auswanderern. Wie viele Familienfäden verbanden damals die beiden Städte! Überhaupt schien die Staatsgrenze zwischen ihnen nicht zu bestehen, auch Herrnstadt und Guhrau empfangen je 5 Bojonowoer. Die folgenden schlesischen Orte begnügen sich je mit einem oder einer: Striegau, Triebusch, Naumdorf, Grünberg, Goldberg, Breslau.
3. Aus Nordposen sind nur folgende Eintragungen zu melden: 2 Einwanderungen aus Margonin, einer bekannten Tuchmacherstadt, Schwerin und Rogasen je eine Einwanderung. Nach Posen und Schwersenz wandern je zwei aus, nach Bromberg einer. Zwei Bojanowoerinnen heiraten in Hauländereien ein. Terespotockie Hauland liegt bei Grätz. Die Beziehungen zum übrigen Polen sind fast gleich Null, es gibt keine Einwanderungen und nur zwei Auswanderungen: nach Kalisch und Lublin.
4. Stärker sind die Beziehungen mit der Mark. Aus Züllichau kommen 3, aus Freienwalde, Gartz an der Oder, Driesen, Friedeberg, Dittmannsdorf je einer. Diese Einwanderung von der Neumark her ist bedeutsam. Gleichzeitig erfolgt auch eine Auswanderung von Südwestposen nach der Neumark. Doch nicht aus Bojanowo, nur eine Person wandert in die Mark aus und das nach Lüben.
5. Sachsen machen sich viermal in Bojanowo seßhaft, sie kommen aus Grätz im Vogtlande, Dippoldiswalde, Schönau, Loebichau bei Halle, eine Auswanderung ist nicht bemerkt. Ein Tuchmachergesell aus Liebemühl in Ostpreußen macht sich 1801 in Bojanowo seßhaft, 1817 ein anderer aus Mährisch Trübau, dagegen zieht 1839 ein Tischler nach Paris.
Doch beschränken sich fast alle diese Beziehungen auf das schlesisch-posensch-märkische Gebiet. Und in diesen Gebieten leben noch heute viele der Nachfahren der in der genannten Schrift erwähnten Familien, gegen 1820 erfolgte allerdings eine starke Auswanderung nach Mittelpolen. Überhaupt läßt die im 18. Jahrhundert zu beobachtende sehr starke Seßhaftigkeit im 19. Jahrhundert nach, je mehr das Jahrhundert fortschreitet, um so mehr, und das 20. Jahrhundert hat ja im Posenschen eine wahre Völkerwanderung gesehen.
Aus dem Jahr 1937. (Schreibweise original)