Archive for the ‘Wollstein’ Category

Eine Gedenktafel – das, was bleibt

Februar 22, 2023

Als das Jahr 1826 in den letzten Zügen lag, wurde in Wollstein über den Neubau einer Kirche beraten – niemand der Teilnehmenden dachte wohl daran, daß ihre Gedankenspiele fünf Jahre später zum Tode zwei junger Menschen führen würden. Im Jahr 1828 waren die Pläne so weit gediehen, daß die Baukommission beschloß, Baumaterial zu beschaffen; ein Jahr später wurde das Vorhaben vom König mit einem Gnadengeschenk von 7000 Reichstalern unterstützt.

So wurde also begonnen, im Juni 1830 – 13 Arbeiter hoben den Fundamentsgraben aus und zum Abschied des Monats Juni fand bereits die Grundsteinlegung statt und im Juli trafen die ersten Ziegel aus der Ziegelei aus Rothenburg an der Obra ein.

An einem Donnerstag im September 1831 passierte es dann – um 16:30 Uhr saß der Maurergeselle Woitschach auf der frisch gemauerten Turmecke und legte das Lot an – als er jählings den Halt verlor und in den Tod stürzte. Im Kirchenbuch wurde diesbezüglich vermerkt: „Fand seinen Tod durch einen Fall vom Thurm“.

Kirchturm der evangelischen Kirche in Wollstein

Im November 1831, es war Montag gegen 08:00 Uhr passierte ein weiteres Unglück. Der Maurerlehrling Deul befand sich auf dem Boden der Kirche und schritt von Balken zu Balken – auch er stürzte plötzlich hinab – in das Kirchenschiff und blieb in der Nähe vom Haupteingang bewußtlos liegen. Nur einen Tag später verschied er; der Pfarrer hielt fest: „An den Folgen eines Falles von der Kirche“. Der Bau wurde natürlich fortgesetzt.

Der Maurergeselle Johann August Woitschach war zum Zeitpunkt seines Todes 21 Jahre alt und stammte aus Kolzig. Seine Eltern waren der Mühlenbesitzer Johann Friedrich Woitschach und Anna Elisabeth Blümel.

Der Maurerlehrling Gottlieb Deul war 19 Jahre alt und kam aus Schlabrendorf bei Kolzig. Seine Eltern waren der Kolonist Johann George Deul und Maria Elisabeth Weiß.

Als letzte Ehre wurden ihnen zum Andenken eine metallene Tafel in der Vorhalle der Kirche gewidmet. Eine Gedenktafel – das, was bleibt. Allein, bis heute?

Orkanschäden in und um Wollstein

Februar 8, 2023

Bei dem letzten verheerenden Orkan, der über unserer Stadt und Umgebung wütete, blieben auch die Nachbarorte Groß Nelke und Chorzemin nicht verschont. Während in Groß Nelke im Vorwerk des Rittergutsbesitzers Dr. Lehfeldt – Lehfelde – eine 400 Meter lange Scheune gänzlich abgedeckt und fortgeschleudert wurde, wurde auf dem Gute Chorzemin die Feldscheune vollständig vernichtet.

Ferner ist die Feldmark des Rittergutsbesitzers Dr. Lehfeldt von dem bösartigen Orkan stark heimgesucht worden. Ganze Schläge einzelner Getreidearten sind durch den starken Regen und Hagel niedergedrückt und zum Teil vernichtet worden. Der Schaden ist noch nicht abzuschätzen.

Regen, verbunden mit Hagel, Gewitter und Sturme suchten auch Wollstein heim. Der Sturm deckte Häuser und Kirchen ab und entwurzelte starke und kräftige Bäume. Besonders stark wütete der Sturm auf beiden Friedhöfen der Stadt und in der früheren Unruhstädter Straße. In der Nähe des Vetterschen Sägewerkes lagen die hohen starken Erlen wie gemäht da. Ganze Schanzen von Erde hatten sich mit dem Wurzelgeflecht aufgetürmt und boten ein seltenes Bild. Die Gänge und Steige auf den Friedhöfen waren von den abgeknickten Bäumen gänzlich gesperrt. Grabsteine und Denkmäler sind zertrümmert und liegen gesplittert da.

Aus dem Jahr 1938. (Schreibweise original)

Raubmord in Wollstein

Januar 20, 2023

In unserem sonst so stillen Örtchen wurde am vergangenen Freitag ein grauenhafter Raubmord verübt. Als die alleinwohnende 60 Jahre Elly W. sich nicht sehen ließ, wollten die Nachbarn in die Wohnung eindringen, doch war die Tür verschlossen. Man rief deshalb die Polizei herbei, in deren Gegenwart die Wohnungstür aufgebrochen wurde.

Die Frau wurde tot auf dem Fußboden liegend aufgefunden. Die Leiche wurde ins Kreiskrankenhaus gebracht, wo eine Sezierung ergab, das Mord vorliegt. Neben Würgemalen am Halse deuten andere Körperverletzungen daraufhin, daß sich die Frau heftig zur Wehr gesetzt hat.

Die Ermordete lebte in guten Verhältnissen. Ihr vom Vater ererbtes Grundstück hatte sie vor einigen Jahren dem Mühlenbesitzer Heinrich verschrieben, der ihr eine monatliche Rente zahlte.

Die Untersuchung ergab, daß die Frau am Abend vorher von einem Mann besucht worden ist, mit dem sie sich längere Zeit unterhielt. Aus der Wohnung ist auch etwas Bargeld verschwunden. Bisher konnten aber keine Spuren gefunden werden, die auf die Täter hinweisen würden.

Aus dem Jahr 1938. (Schreibweise original)

Ein ungeklärtes Verbrechen?

Januar 13, 2023

In Tarnowo, Kreis Wollstein, wurde unter der Dielung eines Hauses in 1 Meter Tiefe ein Skelett ausgegraben. Es liegt der Verdacht eines vor Jahrzehnten verübten Verbrechens vor, um so mehr, als der Schädel Verletzungen aufweist, die darauf hindeuten.

Es liegt im Interesse der polizeilichen Erhebungen, daß Personen, die über ein ungeklärtes Verschwinden eines Menschen, auch wenn dieser Fall vierzig oder fünfzig Jahre zurückliegt, informiert sind, dies der Polizei melden, um den rätselhaften Fall einer Lösung näherzubringen.

Aus dem Jahr 1933. (Schreibweise original)

Fest der Turner in Wollstein

Dezember 18, 2022

Am Sonntag, dem 30. Oktober, feierte der Männer-Turn-Verein Wollstein im Saale des Herrn Thiem, Berzyner Mühle sein 75jähriges Bestehen. Die ganze Turnerschaft war um 8 Uhr abends an Ort und Stelle erschienen, aber auch viele geladene Gäste nahmen an der Feierstunde teil. Die sehr reichhaltige Festfolge brachte viele sehenswerte Vorführungen. Nach dem Lied der Turner „Reiht euch zu vieren“ folgt ein Vorspruch zur Feier des 75jährigen Bestehens des Männer-Turn-Vereins Wollstein. Sprechchor und Lied waren die weiteren Programmpunkte der Feier.

Die Festrede hielt Kaufmann Bruno Schulz. Er schilderte den Werdegang des Vereins von seiner Gründung im Jahre 1863 bis auf den heutigen Tag. Darauf ging der Redner ausführlich auf die Pflichten und Aufgaben des Turnervereins ein und stellte den Begründer des Turnens, „Vater Jahn“, als leuchtendes Vorbild in den Vordergrund. Jeder Turner muß ein wahrhaft deutscher Turner sein. Starker Wille und strenge Disziplin bilden die Grundpfeiler eines gesunden turnerischen Geistes. Die Volksgenossen sollen aber auch an den Turnern nicht immer herumkritisieren. Die Kritik bleibt einzig und allein nur den Turnern selbst überlassen.

Nachdem der Vortragende mit einem Hoch auf die Deutsche Turnerschaft seine Ausführungen beendet hatte, zeigten die einzelnen Riegen Freiübungen, Bodengymnastik und Pferd-Turnen. Dann wurden Mitgliedschaftsurkunden vom Vorsitzenden des Turnervereins, Sachweh, an fünf Turner, die 25 bis 45 Jahre ihre Mitgliedschaft im Männer-Turn-Verein Wollstein nachweisen können, überreicht. Ein gemeinsames Lied beendete die reichhaltige Festfolge.

Nach kurzer Pause setzte dann der Tanz ein, der jung und alt bis in die frühen Morgenstunden in fröhlicher und heiterer Gemeinschaft vereinte.

Aus dem Jahr 1938. (Schreibweise original)

Winterfreuden

Dezember 2, 2022

Der endlich eingetretene Winter hat unseren Arbeitslosen eine vorübergehende Beschäftigung gebracht. Die Eisernte gab weit über hundert Männern einen Erwerb, der allerdings nicht von langer Dauer war, und nun liegt die Stadt einen Viertelmeter tief im Schnee vergraben, und überall sind alle vorhandenen Kräfte am Werke, Stege und Straßen gangbar zu erhalten.

Zu hohen weißen Hügeln wird der so flockige Schnee zusammengefegt und geschaufelt, und dann beginnt die Abfuhr nach dem Schuttabladestellen der Stadt. Auch die Rodelbahn, die große Freude der jungen und älteren Jugend, hat sich in Karpitzko selbsttätig eröffnet.

Der Mittwoch nachmittag brachte bereits den Auftakt der Rodelsaison, obwohl die Bahn wirklich noch nicht erstklassig war. Doch die Jugend kennt keine Mängel, wenn es gilt, ein Vergnügen durchzusetzen, und wenn auf der Mitte der Bahn noch gelber Sand durchblickte und wenn auch das Ende der Bahn im Schmelzwasser des Sees lag, das so manchen verunglückten Rodler einen nassen Anzug bescherte, so tat dies der allgemeinen Fröhlichkeit keinen Abbruch, es wurde gerodelt, denn der dauernd in dichten Flocken fallende Schnee veredelte die Bahn zusehends. Der Donnerstagmorgen brachte dann endlich eine herrliche makellose Bahn, und nur der eine Wunsch bleibt bestehen, daß das Thermometer einige Zeit unter Null bliebe.

(Schreibweise original)

Nächtliche Verbrecherjagd in Wollstein

November 23, 2022

Feueralarm erschreckte in der Nacht zum Sonnabend unsere Bürger. Stadtfeuersignale, insbesondere zu nachtschlafender Zeit, erfüllen ihren Zweck, Menschen zur schnellen Hilfe herbeizurufen, in vollendeter Weise. Als in der Sonnabendnacht die Straßen sich mit fragenden Menschen füllten, erfuhren sie, daß ihre Hilfe nicht einer Feuersbrunst, sondern einer Verbrecherjagd dienstbar gemacht werden sollte.

Im Hause Bergstraße 7 hatte sich ein Diebeskonsortium von 4 oder 5 Verbrechern eingeschlichen, was in diesen Häusern, die alle mit ihren Höfen und Gärten an den Forst grenzen, einfach und ungefährlich ist. Ein Mieter des Hauses, der gegen 1 Uhr nach Hause kam und die Hoftür öffnen wollte, fand hierbei einen unerklärlichen Widerstand. Als er mit Gewalt die Tür aufdrückte, stand ihm eine Anzahl dunkler Gestalten gegenüber. In schnellem Erfassen der Situation griff der Mieter zum Revolver, was gleichzeitig die Verbrecher auch taten.

Die sich nun entwickelnde wilde Schießerei weckte nun die Bewohner dieses und der angrenzenden Häuser. Polizei und die durch Alarm geweckten Bürger nahmen sofort die Verfolgung der flüchtigen Verbrecher auf, die über Höfe und Gärten auf den angrenzenden Forst führte und deren Spuren sich dort verloren. Ein Einbrecher allerdings hatte das Pech, in einen tiefen Entwässerungsgraben zu fallen und es gelang zunächst, diesen festzunehmen. Auch umfangreiches Diebeshandwerkszeug fiel dabei in die Hände der Verfolger. Der bis an die Halskrause durchnäßte ortsunbekannte Einbrecher wurde von einem Wächter abgeführt. Leider gelang es dem gefährlichen Burschen, in der Kochstraße seinem Schicksal dadurch zu entgehen, daß er sich mit plötzlichem Ruck losriß und in rasender Flucht im Dunkel der Gassen verschwand.

Es ist dies natürlich sehr bedauerlich, daß durch diesen entlaufenden Kronzeugen die Ermittlung des Verbrecherkonsortiums sehr erschwert wird. Dieser groß angelegte Einbruchsversuch beweist jedoch, daß trotz der vielen Verhaftungen unsicherer Elemente die Gefahr nächtlicher Überraschungen noch keinesfalls ausgeschaltet ist und daß Vorsorge und Selbstschutz noch immer Aufgabe jedes Bürgers sind.

Aus dem Jahr 1933. (Schreibweise original)

Der älteste Deutsche – zum 106. Geburtstag.

Oktober 26, 2022

Am 21. Dezember (1934) feiert in Neu Borui, Kreis Wollstein, der Altsitzer Heinrich Heinze seinen 106. Geburtstag. Er ist somit der älteste Deutsche in Polen. Herr Heinze stammt aus Sekowo, Kreis Neutomischel. Trotz seines selten hohen Alters ist er noch recht rüstig und verrichtet allerhand leichte Arbeiten in der Wirtschaft seines Schwiegersohnes.

Für die jetzigen Geschehnisse in der Welt sowie für die neueren Errungenschaften wie Radio, Flugzeug usw. findet er nur ein ungläubiges Kopfschütteln. Im vorigen Jahre hat dem hochbetagten Manne, der als Soldat zwei Jahre beim 2. Garde-Regiment zu Fuß in Berlin gedient hat, der verewigte Reichspräsident von Hindenburg zum 105. Geburtstage kameradschaftliche Grüße und Glückwünsche sowie ein Bild mit eigenhändiger Unterschrift übersandt. Auch der greise General von Kries übersandte als alter Regimentskamerad alljährlich seine Glückwünsche.

Anmerkung. Johann Carl Heinrich Heinze heiratete in erster Ehe in meine Familie ein.

(Schreibweise original)

Luftpost

Oktober 21, 2022

Ein Kinderluftballon wurde am 11. Oktober (1938) auf dem Felde des Landwirts Oswald Joachim in Scherlanke gefunden. Auf dem Ballon war ein Brief mit einer Photographie befestigt, dessen Absender ein Frl. Irmgard Schmidtchen aus Dessau war. Trotz der schweren Belastung hat der kleine Ballon die weite Luftreise gut überstanden.

Bereits im Jahr 1936 wurde bei dem Eigentümer Herbert Franke in Cichagora in seinen Hopfenanlagen ein Kinderluftballon aufgefunden, an dem eine Postkarte befestigt war. Dieselbe enthält die Bitte, die Karte, versehen mit der Adresse des Finders und des Fundortes, unfrankiert in den Postkasten zu werfen, welcher Bitte auch entsprochen wurde.

Abgeschickt wurde der Ballon aus Freystadt in Niederschlesien, woselbst vom 5. bis 13. September eine Heimatfestwoche stattfand, wobei ein Ballonfliegen veranstaltet wurde.

(Schreibweise original)

Rakwitzer Laubenhäuser

September 23, 2022

Die meisten Posener Städte, mögen sie im 13. und 14. oder im 17. und 18. Jahrhundert entstanden sein, sind nach einem regelmäßigen Plane erbaut. Die sich rechtwinklig kreuzenden Straßen gehen von einem im Geviert angelegten Markte aus, welcher ursprünglich rings von Lauben umschlossen war. Die in gleicher Breite abgesteckten Häuser kehrten dem Markt ihren Giebel zu; das Erdgeschoß unter diesem nahm eine offene Laube ein, welche von drei oder vier Holzpfosten getragen wurde, denn allgemein waren diese Häuser aus Holz hergestellt, die Wände in Blockbauweise, der Giebel aus einem mit Brettern verkleideten Fachwerk.


Nur wenige dieser gefälligen Laubenhäuser sind heute noch in Städten erhalten. Die meisten dürfte bis in die Neuzeit das Städtchen Rakwitz besessen haben, welches 1662 von zugewanderten Deutschen gegründet wurde. Sie lagen hier an der Westseite des Marktes, sind aber vor wenigen Jahren leider größtenteils ein Raub der Flammen geworden. Wie die Jahreszahl 1669 in einem der Häuser bekundete, gingen diese zum Teil noch in die Zeit der Gründung der Stadt zurück.

(Schreibweise original)

Die evangelische Kirche zu Rakwitz – 275 Jahre.

September 14, 2022

Die Kirchengemeinde in Rakwitz versammelte sich zu einer Gemeindefeier anläßlich des 275jährigen Bestehens in der Kirche in Rakwitz. Herr Pastor Schulz schilderte die wichtigsten Begebenheiten unserer Kirche. Einzelne Stellen aus der Festpredigt anläßlich des 100jährigen Bestehens der Kirche, die der damalige Pastor Krumbholtz im Jahre 1762 gehalten hatte, wurden vorgelesen. 1763/1764 mußte die erste Kirche wegen Baufälligkeit durch die jetzige ersetzt werden. Namentlich in den Jahren 1703/05 hatte die Gemeinde durch den Einfall der Schweden sehr zu leiden. 1708 wütete eine Feuersbrunst, die den größten Teil der Häuser vernichtete. Der gleichzeitig wütenden Pest entgingen nur fünf Bürger in der Stadt.

Es wurde auch erwähnt, daß 1812 während des Rückzuges aus Rußland Kaiser Napoleon durch Rakwitz zog. Im Jahre 1860 wurde unter Pastor Bürger der erste Gemeinderat gewählt. Besonders hervorgehoben wurden die Schenkungen, die die Kirchengemeinde erhielt. Durch eine hochherzige Spende von Hermann Porth aus Hamburg wurde im Jahre 1911 die Kirche in Wielichowo gebaut. Der Freigutsbesitzer Robert Kliem schenkte im Jahre 1927 durch Testament sein Gut.

Im ganzen wirkten zwanzig Pastoren an der Kirche; der jetzige Pastor ist der einundzwanzigste. Der erste wirkte nur drei Jahre, Pastor Kliche dagegen von 1806 bis 1847, also 41 Jahre. Aus den ersten Kirchenbüchern ist zu ersehen, daß die Namen Gellert, Horn, Müller, Heinrich und Grunwald, die heute noch in der Gemeinde vorkommen, schon damals oft genannt wurden. Durch Mitwirkung des Kirchenchors und Vorführung des Laienspiels „Das Zeugnis“ wurde die Gemeindefeier verschönt.

Aus dem Jahr 1937. (Schreibweise original)

Dem Fußball ein Veto

September 10, 2022

Die neugepflasterte und mit gelbem Sande beschüttete östliche Marktseite hat es der Fußball spielenden Jugend angetan. Alle Nachmittage um die dritte Stunde sammelt sich hier eine sportbeflissene Knabenschar, um sich mit Hallo dem Spiel hinzugeben. So lange es sich nur um die kleinen, harmlosen Kinderbälle handelte, konnte jeder Beschauer des lustigen Treibens nur Freude empfinden.

Nunmehr hat sich jedoch der improvisierte Spielklub mit einem regelrechten Fußball bewaffnet, der ohne Rücksicht auf Passanten und Schaufenster seine Kurven fliegt – bis eines Tages ein Schaufenster in Trümmer gehen oder einem Fußgänger der Hut vom Kopfe gefußballt sein wird.

Am Sonnabend hat bereits ein Radfahrer den Ball mitten ins Gesicht bekommen, und aus seinen Worten konnte man entnehmen, daß ihm dies nicht sonderlich angenehm gewesen ist. Es wäre im vielseitigen Interesse, wenn diesem Sport auf dem dafür nicht geeigneten Stadion des Marktplatzes bald ein Veto geboten würde.

1933. (Schreibweise original)

Der Knabe des Knäbleins

August 27, 2022

Am Montag brachte der Landwirt Sperling aus Neu Scharke seine 40jährige Magd zur Stadt, um sie der Entbindungsstelle des Kreiskrankenhauses zuzuführen. Da jedoch die Aufnahme gewisse Formalitäten erforderte, begaben sich sowohl der Wirt als auch die Magd zur Stadt. Als letztere bis zum Markt kam, wurde sie plötzlich von ihrer schweren Stunde überrascht, die in diesem Fall nur wenige Minuten währte.

Auf den Steinstufen des Hauses Nr. 16 schenkte sie, während die Passanten gar nichts bemerkten, einem tatkräftigen Knaben das Leben und ging gleich darauf mit dem Kinde, das sie notdürftig in ihren Mantel wickelte, zum Arzt. Die Wöchnerin wurde nunmehr im Lazarett aufgenommen. Der Vater des munteren Knäbleins ist selbst noch ein munterer Knabe von 15 Jahren, während die Mutter 40 Lenze zählt. Wo die Liebe hinfällt!

So geschehen im Jahre 1933. (Schreibweise original)

Grippe-Epidemie in Wollstein

August 24, 2022

Die Grippe-Epidemie gewinnt in Wollstein und Umgebung immer mehr an Boden. Die allgemeine Auffassung, daß die Grippe ein besserer Schnupfen sei, den man durch Ignorierung am besten heilt, ist der Verbreitung dieser nicht leicht zu nehmenden tückischen Krankheit leider sehr förderlich. Auch wir haben in der diesjährigen Grippe-Epidemie das erste Opfer zu beklagen. Am 14. Februar verstarb an Grippe die allgemein beliebte Lehrerin der katholischen Volksschule, Fräulein Pietryzanka.

Dieses Menetekel mag die Augen der Öffentlichkeit auf die Gefährlichkeit dieser Krankheit richten, um so mehr, als man schon wieder von einigen schweren Erkrankungen hört. Bei Kindern beachte man die ersten Vorzeichen der Krankheit, die sich in Rücken-, Kopf- und Halsschmerzen und erhöhter Temperatur äußern, und halte sie vom Schulbesuch zurück. Unzählig ist die Zahl der Hausmittel, die den Verlauf der Krankheit günstig beeinflussen können, doch ist es immer das Beste, den Arzt zu Rate zu ziehen, da das Krankheitsbild und der Verlauf der Krankheit individuell sehr verschieden ist, und es nur dem Arzt möglich ist, die entsprechenden Maßregeln zu treffen.

Februar 1933. (Schreibweise original)

Wildwest in Rothenburg

August 19, 2022

Blutiger Ausgang eines Vergnügens in Rothenburg an der Obra. Bei einem Vergnügen, das hier am 18. September stattfand, kam es zwischen mehreren Teilnehmern zu einem heftigen Streit. Dabei gab der amerikanische Staatsbürger Jan Blynskal aus Broken in Amerika, der sich jetzt in Rothenburg aufhält, mehrere Revolverschüsse ab.


Dabei wurde Stanislaw Godka in die Schulter und der sich auf Urlaub befindliche Unteroffizier Wincenty Blynskal in die Hand getroffen. Der Revolverheld wurde darauf von den Teilnehmern so verprügelt, daß er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußte.

Aus dem Jahr 1938. (Schreibweise original)

Heuschrecken im Fokus

Juli 15, 2022

Neben dem Kartoffelkäfer sind es die Heuschrecken, welche dieses Jahr die Aufmerksamkeit der Behörden in Deutschland in Anspruch nehmen. Aus Wollstein, in Posen, meldet man: Die Heuschreckenplage, welche bei Köbnitz und Bentschen geherrscht hat und deren man glaubte schon überhoben zu sein, hat jetzt auf dem Gutsgelände Zodyn eine neue Auflage erhalten. Leider sind viele Thiere jetzt beinahe ausgewachsen, fliegen vollständig und entgehen so den Nachstellungen bei weitem besser als vor einigen Wochen.

Die Kreisbehörden sind sehr thätig, um auch hier, wie bei Köbnitz, dem großen Übel Einhalt zu thun.

Aus dem Jahr 1877. (Schreibweise original)

In Wollstein war diese Thematik jeher von Bedeutung; bereits 1728 ist von einer massiven Raupen- und Heuschreckenplage die Rede, welche ein Jahr später ihre Fortsetzung fand. Dies gilt auch für das Jahr 1730 und 1749 wurde konstatiert: „Zusätzlich sorgten die Heuschrecken für Unbehagen”.

Viele Retter für Emma

Juli 8, 2022

Am 16. Januar d. J. ist die unverehelichte Emma Gutsche aus Wollstein durch den Mühlenbesitzer Reinhold Weyrauch aus Wollstein, den Handlungskommis Emil Bothe aus Groß Nelke, den Müller Carl Kude aus Wollstein, den Lehrer Ludwig Hahn aus Wollstein und den Restaurateur Adolph Marco zu Chorzeminer Bleiche vom Tode des Ertrinkens im Wollsteiner See gerettet worden.

Die von den Vorgenannten bei dieser Rettungsthat bewiesene Entschlossenheit und Opferwilligkeit wird hierdurch belobigend zur öffentlichen Kenntniß gebracht.

Aus dem Jahr 1882. (Schreibweise original)

Mord im Tloker Walde

Juli 1, 2022

An einem Sonnabend im November 1909 wurde im Tloker Walde bei Barloschen die Leiche einer etwa 50 Jahre alten „Frauensperson“ gefunden; ein Fund, der die Einwohner in jener Gegend in helle Aufregung versetzte. Es wurde zuerst festgestellt, daß es sich um eine Landstreicherin handelte, die infolge „übergroßen Alkoholgenusses“ dort gestorben ist. Der Fund wurde der Königlichen Staatsanwaltschaft gemeldet, gleichwohl wurde ein Verbrechen „jedenfalls ausgeschlossen“. Nur zwei Tage später änderte sich die vermeintlich so evidente Sachlage grundsätzlich.

Ein neuer Frauenmord ist, wie berichtet wird, in unserer Provinz verübt worden, der den jüngst begangenen verschiedenen Lustmorden ganz ähnelt. Man schreibt darüber: „Im Tlokerwalde im Kreise Bomst fand man eine Frauenleiche. Sie war verstümmelt und völlig unbekleidet. Zweifellos lag ein Lustmord vor“. – Das Posener Tageblatt schreibt dazu: „Am Sonnabend nachmittag fand der Waldwärter Tomiak von der Herrschaft Komorowo im Tloker Walde bei Barloschen die Leiche einer etwa 50 Jahre alten Frau. Sie war teilweise entblößt und schon stark in Verwesung übergegangen. Der Fund ist der Staatsanwaltschaft in Meseritz gemeldet worden“. (Schreibweise original)

Was gibt es aus heutiger Sicht noch zu anzumerken? Nicht viel. Der Königliche Distriktskommissarius in Wollstein korrigierte das Alter später auf etwa 40 Jahre; die arme Frau lag wohl über zwei Wochen in dem Wald – explizite Angaben wurden nicht kommuniziert. Menschliche Abgründe. Die Tat eines Vertreter der edlen Rasse Mensch, mit ihren honorigen Moralvorstellungen, welche sie scheinbar über den Rest des Tierreiches erhebt und die doch nur eine Maskerade sind. Die Menschen waren zu allen Zeiten gleich und werden sich nie ändern – dies gilt auch für ihre Verbrechen.

Ein ausgezeichneter Lehrer

Juni 25, 2022

Seine Majestät der Kaiser und König haben mittels Allerhöchsten Erlasses vom 24. September d. Js. (1899) dem Lehrer Traugott Jeschke in Tlocker Hauland, Kreis Bomst, aus Anlaß seiner Pensionirung zum 1. November d. Js. den Adler der Inhaber des Königlichen Hausordens von Hohenzollern zu verleihen geruht.


(Schreibweise original)

Anmerkung. Johann Traugott Jäschke wurde im Juni 1833 in Silz geboren – seine Eltern waren Johann Christoph Jäschke, der leider in jungen Jahren verstarb und seiner zweiten Ehegattin Dorothea Elisabeth Seiffert. Im Jahr 1856 wirkte er bereits als Schullehrer in Weißhauland bei Grätz. Im Oktober des gleichen Jahres ehelichte er Marie Louise Hänisch. Später vollzog er seinen Lehrerdienst in Tloker Hauland und wurde entsprechend für seine langjährige Tätigkeit gewürdigt.

Tumult in Wollstein

Juni 15, 2022

Im Jahre 1883 schlossen Emma Emilie Bertha S. und Johann Wilhelm Oswald J. den Bund der Ehe – der Bräutigam ist ein allgemein geachteter Eigentümer und wird später Gemeindevorsteher werden. Ungefähr sieben Jahre nach der Heirat wird ihr gemeinsamer Sohn Alfred Oswald geboren, der im Jahr 1908 für eine gewaltige Aufregung in Wollstein und der Umgegend sorgen wird, was zu diesen Zeitpunkt freilich noch niemand wissen oder erahnen kann. Was ist also passiert an jenem 15.12.1908, nur wenige Tage vor Weihnachten?

Der Sattlergeselle Alfred Oswald J. – offenbar durch das Lesen vieler Detektiv- und Räubergeschichten inspiriert – beschloß an diesem 15.12. „auch mal so was zu machen“, was er in seinen Büchern las und so wollte er bei dem Wollsteiner Kaufmann Friedrich K. einbrechen, um Geld zu erlangen; etwa 100 Mark, „um sich am Jahrmarkt verschiedenes zu kaufen“. Er nahm an, daß in der Getreidehandlung zum Jahrmarkt viel Geld vorhanden sein würde und so setzte er seinen Plan in die Tat um. „Er habe versucht, mit dem am Sonntag vorher selbst gefertigten Dietrichen den Geldschrank zu erbrechen. Da ihm dies nicht gelang, sei er in das Nebenzimmer gegangen, dort die Schrankschlüssel zu suchen. Infolge des Bellens der Hunde sei K. erwacht und habe ein Streichholz angezündet. Um unerkannt zu entkommen, habe er dem K. einen Schlag mit dem Stemmeisen an den Kopf versetzt, um ihn zu betäuben. Darauf sei er von dem Kaufmann angegriffen worden und so an der Flucht verhindert worden“. Der Angeklagte gab zu, den Angriff mit den Worten begleitet zu haben: „Hund! – ich mache dich kalt“ und während des nachfolgenden Ringens: „jetzt kommst du und dann dein Geld; wart mal, da draußen stehen noch zwei mit Gewehren“.

Auf dem Richtertisch liegen die Instrumente, mit denen sich der Angeklagte versehen hatte, darunter starke Schnüre zum Binden des Kaufmanns und einen Lappen, den er als Knebel benutzen wollte. Ferner hatte Alfred Oswald J. vergiftete Würste mitgenommen, um die Hunde zu töten. Der Kaufmann K. gab an, nachdem er den Schlag mit dem Eisen erhalten habe, sei er aus dem Bett gesprungen und habe den Angeklagten gefaßt, im Ringen seien sie auf das Bett zu liegen gekommen und dabei habe J., der unten lag, ein Messer gezogen und ihm einen Stich in den linken Unterschenkel versetzt. Der weitere Kampf dauerte 15 Minuten, in dessen Verlauf K. einen Messerstich in den Kopf bekam, sowie einen Ritz in den Zeigefinger der rechten Hand erhielt. Außerdem sei er im Gesicht und am Körper gehörig gekratzt worden. Als der Angeklagte hörte, daß Hilfe herbei komme, suchte er zusammen und wollte die Flucht ergreifen.

Kaufmann B. und Bäckermeister K. waren als erste zur Stelle und fesselten den Angreifer. Der Zeuge Sattlermeister K. zugleich Lehrherr des Angeklagten stellte diesem das beste Zeugnis aus. Er sei stets fleißig und solide gewesen, auch habe er sich gehorsam und folgsam gezeigt. Gelesen habe der Angeklagte sehr viel.

Der Staatsanwalt beantragte wegen Einbruchsdiebstahl und versuchten Mord zehn Jahre Gefängnis, die Verteidigung indessen plädierte nur auf Einbruchsdiebstahl und schwerer Körperverletzung. „Nach einhalbstündiger Beratung verkündete der Vorsitzende das Urteil, nach welchem der Angeklagte wegen versuchten Mordes im einheitlichen Zusammenhange mit schwerem Einbruchsdiebstahl zu einer Gefängnisstrafe von sechs Jahren verurteilt wird.

urteil

Die armen Eltern – was werden nur die armen Eltern gedacht haben?