Ein Strike der Stadtväter von Greiz

Aus Thüringen. 11. August. Es hat schon viele Strikes gegeben, aber einen Strike der „Väter der Stadt“, wie er jetzt in der Stadt Greiz stattfindet, hat es, so lange Strikes existiren, gewiß noch nicht gegeben. In Greiz haben die städtischen Behörden seit dem 1. August ihre Funktionen eingestellt.

Die Ursache dieses Strikes ist nicht uninteressant. In Greiz sollte am 1. August eine neue freisinnigere Gemeindeordnung mit Gemeinderath und Gemeindevorstand, wie sie in den anderen thüringischen Kleinstaaten besteht ins Leben treten. Aber die fürstliche Regierung zögerte so lange mit der Publikation der Ausführungsverordnung und der Chef der bisherigen Stadtbehörde war gleichfalls so saumselig in Anordnung der zur Einführung der neuen Gemeindeverfassung nöthigen Maßregeln, daß der 1. August heran kam und noch nichts zur Einführung der neuen Gemeindeverordnung geschehen war. Darauf hin haben nun die Stadtverordneten ein Theil des Statdtrathes erklärt, daß sie ihre Funktionen nicht mehr ausüben können, weil sie nicht mehr als zu Recht bestehend sich betrachten.

Trotz des Strikes und trotzdem, daß auch der Souverän des Landes, Herr Heinrich XLII., in Bad Kissingen weilt, befindet sich Greiz den Umständen nach wohl und wenn auch noch andere Behörden striken wollen, so würden Stadt und Staat auch nicht untergehen. Wir glauben sogar, daß die Greizer einen solchen Strike nicht ungern sehen würden.

1871. (Schreibweise original)

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