Zu kurz, viel zu kurz

Zu Beginn der 1930er Jahre wollte in Berlin die Schneidermeisterin Else K. in den Stand der Ehe treten, den ewigen Bund der Liebe für ihr Leben schließen. Ihr Verlobter war der Reichsbankoberinspektor Hermann V. aus Westpreußen. Doch betrüblicherweise war es den Verlobten nicht vergönnt, das Standesamt in persona aufzusuchen – der Bräutigam war schwer erkrankt und konnte offenbar das Krankenhaus nicht verlassen. So hieß es also in der entsprechenden Anmerkung:

„Auf Grund des Zeugnisses des Stationsarztes Storz … daß die lebensgefährliche Erkrankung des Verlobten den Aufschub der Eheschließung nicht gestattet …“.

So begab sich der Standesbeamte in das Martin-Luther-Krankenhaus, um die Eheschließung mutmaßlich am Krankenbett vorzunehmen. Als Zeugen traten die jeweiligen Brüder auf. Die Unterschrift des Bräutigams ist klar und fest; ein Indiz auf die Krankheit läßt sich nicht ermitteln. Wahrscheinlich obsiegte in diesem Moment die nur zu nachvollziehbare Hoffnung auf eine glückliche, bessere Zeit und natürlich, auf die Heilung seines Leidens. Wer wünschte es ihnen nicht von Herzen?

Gleichwohl irrte sich der Herr Stationsarzt Storz in seiner Einschätzung mitnichten, denn jene Ehe – unter tragisch-traurigen Umständen geschlossen – währte leider nicht lange. Das unerbittliche Spiel des Lebens ignorierte ungerührt und gefühllos jedwede Wünsche und Hoffnungen aller Beteiligten. Bereits kurze Zeit später erlag der frisch getraute Ehemann seiner tödlichen Krankheit in viel zu jungen Jahren. Wann hat das Leben auch je auf die Hoffnungen, Wünsche und Träume der unbedeutenden Lebenden gehört? Mögen sie eine schöne und intensive Zeit gehabt haben – wenn auch zu kurz, viel zu kurz.

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