Angesichts der reduzierten Wertschätzung der Damenwelt in Kirchenbüchern, stellte ich einst die These auf, daß die Kinder mutmaßlich von den männlichen Vertretern dieser Spezies geboren wurden. Diese Annahme – nicht ganz ernst gemeint – wurde nun überraschenderweise bestätigt. Auch wenn die grundlegende Systematik in den Kirchenbüchern mehr oder weniger gleich bleibt – je nach Lust und Laune des Pfarrers variiert – so war ich mehrheitlich daran gewöhnt, im 17. und 18. Jahrhundert – in der Regel – nur die Vornamen der Mütter bei den Geburtseinträgen, respektive Taufen zu lesen.
Diese Wahrnehmung, bzw. Erfahrung ist obsolet – denn ein lang erwartetes Kirchenbuch, welches endlich Eingang in mein Archiv fand und das sich anschließende Studium desselben, explizit die Geburtseinträge sind für mich ein Novum; da sie in dem nachfolgenden Stil verfaßt sind:
„28 Aug: ist George Müller, Gärtner in … ein Töchterlein gebohren, welches am 30. in der Taufe den Nahmen Beata erlangt. Pathen waren …“.
Nicht e i n Wort zu der Mutter, ja, nicht einmal der Vorname. Das läßt also nur eine kausale Erkenntnis zu – die Männer brachten die Kinder auf die Welt. Und die Frauen? Wer weiß heute noch, was die Damen einst taten und wann sich der Wechsel in der Fortpflanzung einstellte. Wahrscheinlich wurde den männlichen Wesen der Akt der Geburt irgendwann zu schmerzhaft. Bei all den unzähligen Kirchenbüchern ist jenes Buch wahrhaftig eine Besonderheit. Für die Forschung sind Einträge in dieser absurden Art mehr als eine Herausforderung. Ganz zu schweigen von der elementaren Achtung den Müttern gegenüber.
Juli 3, 2020 um 10:11
Super geschrieben! Und den Schmunzler gibt’s noch dazu 😊
Juli 3, 2020 um 10:32
Danke für die Blumen! 🙂 Im Ernst, diese Einträge sind wirklich traurig zu lesen…
Juli 3, 2020 um 13:19
Gerne 😊
Aber das stimmt schon… Die Frauen wurden damals einfach ausgeblendet. Diese Dokumentation sagt „still“ einiges aus über diese Zeit.
Ich finde es wirklich toll, dass du das thematisiert hast.
Wäre das ok, wenn ich das in einer Facebook Gruppe veröffentliche?
Juli 3, 2020 um 14:43
Ja, nur zu.
Wohl wahr, das sagt sehr viel aus und ist bezeichnend. Ich beklage das, weil es meine Forschung erschwert – doch wie war erst das Leben für die Frauen damals? So ist mein „Jammern“ also absolut unangemessen.
Vielleicht kommt in der Gruppe eine Rückmeldung über ähnliche Verfahrensweisen – für mich sind diese Einträge in der Form neu. Und ich kenne seeeehr viele KB. 😉
Juli 3, 2020 um 17:03
Vielen Dank 😊
Als Frau ist es kaum vorstellbar, wie eine Frau früher gelebt hat… Am Rande einer Männerwelt. Erschütternd finde ich auch, dass die Kirchenmänner ohne die Wertschätzung gearbeitet haben… Dunkle Zeiten, die heute so fern wirken.
Ich bin auch gespannt, was die Online-Gemeinde gedanklich teilen wird. Schön ist, dass die Ahnenforschung-Gemeinde wächst und sich immer mehr austauscht 😊
Ich wünsche dir ein wunderbares Wochenende.
Bis bald, Janine.
Juli 3, 2020 um 17:11
Ich stimme Dir absolut zu. Immerhin kenne ich aus meinen KB keine Beleidigungen und dergleichen, die es leider auch gab. Maximal „lebten in wilder Ehe“ las ich bisher. Aber das ist wohl auch regional bedingt.
Ich wünsche Dir ebenso ein wunderschönes Wochenende und alles Gute
Marcus