Eine Ohnmacht mit tödlichen Folgen in Graudenz

In der evangelischen Pfarrkirche zu Graudenz wurde auf der Empore eine Frau ohnmächtig und drückte im Umsinken einen offenen Fensterflügel aus den Haspen, so daß derselbe klirrend zu Boden fiel. Alsbald ertönte der Schrei: „Die Kirche fällt ein!“. Tausendstimmig wiederholt, setzte er Alles in wilden Schrecken. In wilder Flucht stürzte die Menge den Thüren zu, von den Emporen und Chören sprangen in entsetzlicher Hast Männer und Kinder in das Kirchenschiff: Stühle, Kirchenbänke, Treppengeländer brachen von der Wucht der Fliehenden krachend und knisternd zusammen; dazwischen rasselten die eingeschlagenen Fenster und schrecklich gellten die Rufe nach Kindern, Eltern, nach Mann oder Frau.

Auf das Geschrei der Fliehenden war bald die halbe Bewohnerschaft auf dem Markte versammelt, mit Leitern und Stricken, Tragkörben und anderen Rettungswerkzeugen. Endlich war die Kirche geräumt. Ohnmächtige, Zerdrückte und Erstickte wurden herausgetragen; fast jedes Haus am Markte barg einen oder mehrere dieser Unglücklichen.

Elf Personen sind todt, darunter drei Landwehrmänner. Arm- und Beinbrüche, Quetschungen, Contusionen kann man nach Hunderten zählen. Nachdem die Kirche geräumt war, fand es sich, daß auch nicht ein Balken zerbrochen war.

Jene Panik vollzog sich im Jahr 1866. (Schreibweise original).

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s


%d Bloggern gefällt das: