Die Mundarten rings um Posen

Sie sind leider langsam im Schwinden begriffen. Wird der Leser dieser Zeilen sich nicht fragen: Gibt es um Posen herum überhaupt eine Mundart? Das Deutsch, das in Posen gesprochen wird, ist es nicht ein reines Hochdeutsch? Diese Frage kann nur mit einem Ja beantwortet werden. Und doch haben gerade die Bewohner der Stadt Posen im Mittelalter ausschließlich Mundart gesprochen, und zwar eine Mundart, die rein schlesisch gewesen ist. Das wissen wir aus den Ratsprotokollen der Stadt Posen, die uns sehr zahlreich überliefert worden sind. Wo ist nun diese Mundart geblieben? Nachdem der Zuzug an Siedlern im Mittelalter aus dem Reich aufgehört hatte, konnten sich die Deutschen in Posen gegen den Vorstoß des Polentums im 15. und 16. Jahrhundert nicht mehr halten, teils zogen sie von Posen ab, teils gingen sie im Polentum auf. In der näheren und weiteren Umgebung der Stadt finden wir aber noch Mundarten und zwar verschiedene Mundarten.

Wir müssen hier erst einmal zwischen Deutschen unterscheiden, die durch die Ansiedlungskommission in den Jahren 1886-1914 angesiedelt worden sind, und solchen, die schon seit vielen Generationen ihren Bauernhof in Besitz haben. Dabei können wir feststellen, daß gerade diejenigen Bauern, die schon vor der Arbeit der Ansiedlungskommission hier ansässig waren, ihre Mundart zum größten Teil aufgegeben haben. Anders ist es mit den Deutschen bestellt, die in den Jahren 1886-1914 in die Provinz Posen kamen. Sie haben, sofern in ihrer Heimat Mundart gesprochen wurde, diese mit in ihre neue Heimat gebracht und zum Teil auch bewahrt.

Im Osten des Kreises Posen liegt das Dorf Hohenfurt. Hier sind seinerzeit Westfalen angesiedelt worden, die heute noch zum Teil ihre mitgebrachte Mundart sprechen. In Ebenhausen sind Westfalen, Thüringer und Hannoveraner durcheinander gesiedelt worden. Dies bunte Bild der Siedler zeigen uns auch die Sprachproben. Noch etwas anderes kann von Ebenhausen berichtet werden. Hier besitzen die Bäuerinnen z. T. noch ihre Trachten, die aus selbstgewebten Stoffen geschneidert worden sind. Leider ruhen diese Trachten in den Truhen; sie werden nicht mehr getragen.

Westlich von Posen liegt das Dorf Runkeln. Hier haben Hannoveraner, Friesen und Lippe-Detmolder das Land besiedelt. In Gurten treffen wir drei ostfriesische Siedlerfamilien. Das Erstaunliche ist, daß diese drei Familien ihre Mundart so bewahrt haben, daß sogar die Kinder im Umgang mit ihren Eltern noch ostfriesisch sprechen. Kochfeld wird von Hannoveranern, Westfalen und Niedersachsen bewohnt. Die deutschen Bewohner von Gurten, Runkeln und Kochfeld haben, da sie aus verschiedenen Gegenden stammen und dementsprechend andere Mundarten gebrauchen, sich eine eigene nur für die drei Dörfer gültige Umgangssprache geschaffen, in denen Teile der oben genannten Mundarten eingefügt worden sind.

Die Anhalter, Sachsen und Hannoveraner von Nordheim haben infolge der nahen Lage an Posen sehr schnell ihre Mundart verloren. Zwar können die alten Leute ihre Mundart noch sprechen, im Umgang jedoch wird sie nicht mehr gebraucht. Die Bewohner der Dörfer wie Eberbach, Schönherrnhausen, Steimersdorf sind alteingesessene Bauern, die schon viele Generationen auf ihrem Hof sitzen. Sie sprechen alle keine Mundart, sondern gebrauchen eine dem Hochdeutschen angenäherte Umgangssprache.

Zum Schluß müssen wir feststellen, daß die Mundart im ganzen gesehen, in den angeführten Dörfern leider langsam im Aussterben begriffen ist. Mit Ausnahme von Gurten wird die Mundart als Umgangssprache nur noch in sehr geringfügigem Maße benutzt. Die Kinder der eingewanderten Siedler gebrauchen ihre Mundart nicht mehr. Sie verstehen sie wohl noch und können sie allenfalls noch sprechen, jedoch untereinander wird das Hochdeutsche als Umgangssprache benutzt.

Aus dem Jahr 1944. (Schreibweise original)

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